Die Aldi-Welt
bilden«: »Aldi ist für die meisten Menschen kein Kult, sondern die einzige Möglichkeit, mit wenig Geld über die Runden zu kommen.«
Durfte man aufatmen? Man durfte.
Ein Erfolgsprodukt wie das Aldidente-Kochbuch konnte natürlich in der schönen Welt der Neuen Medien nicht lange ohne elektronisches Schwesterlein bleiben; schließlich hatte sich Aldidente nach unbestätigten Verlagsangaben (man neigt mancherorts zu großzügigen Aufrundungen) mehr als eine Million Mal verkauft. Was lag näher als eine CD-ROM auf den Markt zu bringen? Derselbe Titel, gleiche Aufmachung. Untertitel »Besser schlemmen, clever kalkulieren«. Eine in Aldi-Süd-Farben gehüllte Blechdose (im abstehenden Deckel liegt ein hölzerner Kochlöffel) schmiegt sich an einen Taschenrechner, dessen Papierrolle Pfennigbeträge ausspuckt. Das Booklet begrüßt uns mit folgenden gesetzten Worten: »Wer bei Aldi kauft, hat Spaß am Sparen. Doch wahre Aldianer verbindet mehr als Preis und Leistung. Denn Aldi ist nicht nur Discounter – Aldi ist Kult!« Wahre Aldianer. Ware Aldianer? No design, low price: Der Inhalt der Scheibe ist ähnlich ärmlich – und insofern schon wieder sehr Aldigemäß. Nach eigenen Angaben bietet das Speichermedium, »die CD-ROM zum Kult-Discounter« einen Rezeptkalkulator, Einkaufslistengenerator, ein Verzeichnis sämtlicher Aldi-Filialen des Südreichs plus die Hofer-Filialen in Österreich. Man klickt ein Produkt aus der Sortimentsliste an, zieht die Chose mit der Maus auf den Einkaufszettel und druckt sie aus. Fertig ist der Marschbefehl zum nächsten Aldi, den man zwar blind findet, dessen Adresse man aber sicherheitshalber nochmals nachrecherchiert. Weiter gibt es ein Schlemmerquiz, Kalendergeschichten, Einladungs- und Menükarten mit aldifarbener Bordüre zum Ausdrucken (!) für den Einsatz bei Tisch. Ein »Köchelverzeichnis« birgt 40 Rezepte, und die Rubrik »Preiswert eingeschenkt« verzapft »Hintergrundinformation« über die Weine, die Aldi führt: woraus zu lernen ist, daß Chianti ein Rotwein aus Italien ist, der am besten kellergekühlt zu konsumieren ist.
Nach einer fröhlich-synthetischen Auftaktmusik – auch hier ganz im Trällerstil der fünfziger Jahre – spricht eine vertrauenerweckende Frauenstimme folgende Ouvertüre: »Die konsequente Verwirklichung des Discountprinzips schreiben sich die Brüder Theo und Karl Albrecht seit mehr als 30 Jahren auf ihre Fahnen«, um uns wenig später darüber aufzuklären, »bei Aldi sind wir alle gleich«, weil es sich bei dieser Lebensmittelkette »um einen Schmelztiegel der Gesellschaft« handle.
Die virtuelle Begehung der Aldi-Welt, die »heitere Speiseplanung mit Kalendergeschichten rund um Aldi – den Mythos«, Charme und Anmut dieses Speichermediums sind extrem gartenlaubig ausgefallen. Anders gesagt: Wer will zum Beispiel wissen, wie unter der Kalendergeschichte Nr. 1 mit dem Titel »Let’s Dance« zwei Polizisten wegen Lärmbelästigung in einer Mietskaserne intervenieren? Die verdutzten Radaubrüder können den Hütern der Ordnung und der Lautlosigkeit plausibel machen, daß es keine andere Möglichkeit gäbe, als das bei Aldi erworbene CD-Set laut abzuspielen. Lauter Superhits. Für 19,98 Mark. Was, sagt da der eine Polizist, drei CDs für unter 20 Mark. Schade, daß heute Sonntag ist… Von solcher Strickart sind die Maschen, durch die der PC-Besitzer und Aldi-Kunde hineingesogen wird in den Mythos. Immerhin stimmt der Preis: Für unter 30 Mark ist die CD-ROM in den Handel gelangt. Mehr wäre auch zuviel gewesen.
Zuletzt ist Aldi dann doch noch im Internet gelandet, und zwar auf der Homepage des Frankfurter Eichborn-Verlages, der das Aldidente-Kochbuch veröffentlicht hat. Dortselbst wird kräftig gegen die »Trittbrettfahrer«, die das Kinderkochbuch Aldi Piccoli auf den Markt geworfen haben, vom Leder gezogen. Zwar wird aus juristischen Gründen der Plagiatsvorwurf nicht ausgesprochen, aber ein angewidertes »Trittbrettfahrer!« wirft man den Kollegen vom Baumhaus-Verlag schon zu – nicht ohne den Besucher der Website zu belehren, noch im Herbst sei mit einer Fortsetzung des Aldidente-Buchs zu rechnen. Und diesmal natürlich nur the real stuff: All die Jahre wieder wird als Titel in Aussicht gestellt; natürlich wird das Bücherl für 14,99 Mark wieder mit Rezepten versehen sein, Schwerpunkt Weihnachten. Aber, klärt Firma Eichborn in einem Frage-und-Antwort-Spiel auf: »Strenggenommen geht es also gar nicht um den Mülheim/Ruhr ansässigen
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