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Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition)

Titel: Die Analphabetin, die rechnen konnte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Jonasson
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wieder vom Gas, überlegte ein wenig und fragte, ob Fräulein Nombeko die Bombe denn nicht entschärfen könne, nachdem sie doch auch beim Bau mitgewirkt habe. Sie antwortete, es gebe zwei Arten von Atombomben: Die operativen und die nicht-operativen. Die Bombe, die sie hier spazieren fuhren, gehörte unglücklicherweise zu den operativen, daher würde es vier bis fünf Stunden dauern, sie zu entschärfen. Die Zeit hatte sie nicht gehabt, als die Dinge da unten in Südafrika plötzlich brenzlig wurden. Und nun befand sich der leider einzige Entschärfungsplan in israelischem Besitz. Wie Holger sich sicher vorstellen könne, war es nicht unbedingt angezeigt, in Jerusalem anzurufen und das Außenministerium zu bitten, ihnen die Pläne durchzufaxen.
    Holger nickte und sah ganz unglücklich aus. Nombeko tröstete ihn damit, dass die Bombe ihrer Meinung nach so manchen Rums aushielt. Selbst wenn Holger von der Straße abkommen sollte, bestünden also gute Chancen, dass sowohl er und sie als auch Stockholm und Umgebung davonkommen würden.
    »Glaubst du?«, fragte Holger.
    »Am besten wäre freilich, wenn wir es nicht ausprobieren«, sagte Nombeko. »Was sagtest du noch mal, wohin fahren wir? Nach Gnesta?«
    »Ja. Und wenn wir dort sind, wird es das Wichtigste sein, meinem Bruder verständlich zu machen, dass er das, was wir da hinten im Laderaum haben, nicht für einen Staatsstreich verwenden darf.«
    * * * *
    Holger wohnte tatsächlich in einem Abbruchhaus. Richtig hübsch, dachte Nombeko. Es war ein verwinkeltes Haus mit vier Stockwerken, das sich direkt an ein Lager anschloss, welches wiederum verwinkelt war, und das Ganze bildete einen Hof mit einem schmalen Tor zur Straße.
    Nombeko fand, dass es Verschwendung wäre, diese Hütte abzureißen. Natürlich war hie und da ein Loch in der Holztreppe, die in das Stockwerk führte, wo sie wohnen sollte. Und Holger hatte sie darauf hingewiesen, dass das eine oder andere Fenster in der ihr zugedachten Wohnung mit Brettern vernagelt war, weil die Scheibe fehlte. Und dass es durch die Ritzen der Holzfassade zog. Doch unterm Strich war es doch eine enorme Verbesserung, verglichen mit ihrer alten Hütte in Soweto. Allein schon, dass der Boden aus richtigen Holzdielen bestand statt aus gestampftem Lehm!
    Holger und Nombeko schafften es mit Köpfchen, vereinten Kräften und Schienen, die Atombombe aus dem Laderaum in eine Ecke des Lagers zu bugsieren, das ansonsten Unmengen von Kissen beherbergte. Holger und sie hatten noch nicht darüber gesprochen, aber man musste nicht mal so hochbegabt sein, wie es Nombeko eventuell war, um zu dem Schluss zu kommen, dass Holger eben diese Kissen verkaufte und auslieferte.
    Nun stand die Bombe also in einer Ecke des Warenlagers aufgebockt und stellte keine unmittelbare Bedrohung mehr dar. Wenn nicht eines der Tausende von leicht entflammbaren Kissen anfing zu brennen, durfte man sich berechtigte Hoffnungen machen, dass Nyköping, Södertälje, Flen, Eskilstuna, Strängnäs und Stockholm samt Umgebung vorerst stehen bleiben würden. Von Gnesta ganz zu schweigen.
    Sobald die Bombe im Lager verstaut war, wollte Nombeko noch das eine oder andere von Holger wissen. In erster Linie natürlich diesen Quatsch mit seiner Nichtexistenz. Dann das mit Holgers Bruder. Warum glaubte Holger, dass sein Bruder scharf auf die Bombe sein könnte und damit einen Staatsstreich durchführen wollte? Wer war er überhaupt? Wo war er? Und wie hieß er?
    »Er heißt Holger«, sagte Holger. »Und er ist wahrscheinlich ganz in der Nähe. Wir hatten Glück, dass er nicht vorbeigekommen ist, als wir gerade mit der Kiste zugange waren.«
    »Holger?«, sagte Nombeko. »Holger und Holger?«
    »Ja. Er ist ich, könnte man sagen.«
    Jetzt musste Holger aber wirklich ein paar Dinge aufklären, sonst würde Nombeko kurzerhand wieder fahren. Und die Bombe konnte er dann gern behalten, die stand ihr nämlich bis hier oben.
    Sie türmte Kissen auf die Kiste, kletterte hinauf und setzte sich in die eine Ecke. Dann forderte sie Holger, der immer noch unten stand, zum Weitererzählen auf.
    Sie wusste nicht, was sie sich erwarten sollte, aber als Holger nach vierzig Minuten fertig war, verspürte sie Erleichterung.
    »Das ist doch gar nichts. Wenn du nicht existierst, bloß weil du keine Papiere hast, ahnst du ja gar nicht, wie vielen Südafrikanern es genauso geht. Mich selbst gibt es übrigens auch bloß, weil dieser Trottel von Ingenieur, für den ich schuften musste, meine Papiere

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