Die Anatomie des Todes
Milten manchmal Hausbesuche bei einem Patienten dieses Namens macht«, erzählte Maja, »denn jedes Mal, wenn er dorthin fährt, kommt er sich ungeheuer wichtig vor. Und wenn seine Sekretärin von Skarv spricht, dann tut sie das mit der gleichen Ehrfurcht wie Milten.«
»Er ist ja auch eine Institution.«
»Aber ich dachte, er sei totkrank. Wie kann er da so ein groÃes Unternehmen leiten?«
»Mit Hilfe seines ältesten Sohnes, Erik Skarv.«
Sie schaute ihn nachdenklich an.
»WeiÃt du, dass ein Erik Skarv Vorstandsmitglied bei der Renten- und Kreditkasse ist?«
Stig nickte.
»Aber das ist doch unheimlich interessant!«, rief sie.
»Mich hätte eher das Gegenteil gewundert. Die Familie Skarv ist enorm einflussreich.«
»Dann stecken sie bestimmt hinter der Umgestaltung des Heringsviertels. Das ist doch eine groÃartige Entdeckung.« Maja leerte ihren Becher.
Stig konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen und legte die Lammkrone auf den Grillrost. Das Fett schmolz und tropfte auf die Kohlen, sodass weiÃer Rauch aufstieg.
»Wenn Skarv seine Finger im Spiel hat, dann kannst du davon ausgehen, dass nichts Illegales geschieht.«
»Und warum?«
Stig vertrieb den Rauch mit einer Hand, während er die Lammkrone ein Stück zur Seite zog.
»Weil genug Anwälte für sie arbeiten, die sie vor Unannehmlichkeiten bewahren.«
Maja schüttelte den Kopf. »Man kann auch zehn Hausärzte haben und trotzdem krank werden.«
Schweigend pinselte Stig das Fleisch erneut mit Marinade ein, worauf ein verführerischer Duft nach Knoblauch und Thymian aufstieg.
»Du glaubst also immer noch nicht, dass da krumme Geschäfte am Laufen sind?«
Stig schüttelte den Kopf. »Ich glaube nur, dass wir bei S-finans auf dem Holzweg sind. Wenn der Skarv-Konzern Interesse an einer Feriensiedlung hätte, dann würde er versuchen, das auf politischem Weg durchzusetzen. Ein Gesetz zu ändern wäre für ihn viel leichter, als ein Gesetz zu brechen. Da kann ich mir schon eher vorstellen, dass ein Typ wie Solstrøm Dreck am Stecken hat.«
Das konnte sie im Grunde auch, dennoch hatte sie das plötzliche Auftauchen der Familie Skarv in ihren Ermittlungen misstrauisch gemacht. Es ärgerte sie, dass sie im Gegensatz zum Rest der Stadt erst jetzt erfuhr, was es mit dieser Familie auf sich hatte. Und sie wurde das Gefühl nicht los, dass Stig sich in dieser Hinsicht auffallend bedeckt hielt.
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Schweigend lieÃen sie sich das saftige Fleisch schmecken und leckten sich den Saft von den Fingern. Nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatten, entfernte Stig den Rost und schob mit den FüÃen Erde über die glühende Asche.
»Hat Tjodolv Skarv sich jemals Geld bei der Renten- und Kreditkasse geliehen?«
»Das haben Vater und Sohn im Lauf der Zeit sicher öfter getan.«
Maja nickte nachdenklich.
»WeiÃt du, was ihr letztes groÃes Bauprojekt war?«
»Ich denke, das war das Norvikcenter«, antwortete Stig und schulterte den Rucksack.
Sie hatte bereits ihre Armada von Fangschiffen im Hafen sowie die riesigen Kühlhallen auf der Heringsinsel gesehen, die als Logo ein groÃes S trugen. Dass sie auch ein Einkaufszentrum gebaut hatten, zeigte, auf welchem Niveau sie operierten. Stig hatte sicherlich recht, dass sie es vorzogen, politischen Druck auszuüben, um ihre Ziele zu erreichen.
In der Nacht liebten sie die Laken nass. Maja konnte nicht entscheiden, ob ihre Beziehung an Tiefe gewonnen hatte, oder ob es nur der Sex war, der immer gieriger und intensiver wurde. Die Dunkelheit war von einem süÃlichen, animalischen Duft erfüllt, der sie miteinander verband.
Später, als sie wie zwei Löffel hintereinanderlagen, bat Maja Stig, ihr alles zu erzählen, was er über die Familie Skarv wusste.
»Eigentlich weià ich auch nicht mehr als die anderen Leute. Sie haben viel Macht und Einfluss. Besitzen die halbe Stadt und noch mehr.«
»Was sie alles besitzen, interessiert mich gar nicht so sehr. Aber wer ist dieser Tjodolv Skarv?«
Stig zögerte ein wenig, ehe er zu erzählen begann. Die Familie Skarv stammte ursprünglich aus einem Küstenort, der sich weiter nördlich, in der Nähe von Ytrerev, befand. Tjodolvs Vater, Harald Skarv, war einst in die Stadt gekommen, um nach Arbeit zu suchen. SchlieÃlich hatte er einen Job als Heringsfischer, unter den Ãrmsten
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