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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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War man gerade eingeschlafen, wurde man unter Garantie vom Brummen des Pagers geweckt. So wie jetzt. Der kleine Funkempfänger, der stets eingeschaltet sein musste, hatte alle in seiner Gewalt. Sie musste ihn finden. Durfte nicht weiterschlafen. Er würde so lange brummen, bis sie
sich meldete. Desorientiert schlug sie die Augen auf. Sie lag immer noch in der Badewanne, umgeben von eiskaltem Wasser. Irgendwann würden diese nächtlichen Bäder ein böses Ende nehmen. Manche starben, weil sie im Bett geraucht hatten. Sie würde ihr Leben auf dem Grund einer Badewanne beenden. Alles in allem war das auch rücksichtsvoller den Nachbarn gegenüber. Doch seltsamerweise brummte ihr Pager immer noch. Warum waren die Geräusche ihres Traumes nicht verschwunden? Sie drehte langsam den Kopf und begriff, dass es das Wandtelefon war, das läutete.
    Eigentlich hatte sie keine Lust, sich zu melden, wusste aber auch nicht, mit welchem Knopf man die Verbindung unterbrechen konnte. Außer der Empfangsdame wusste niemand, dass sie hier wohnte, und der hatte sie ausdrücklich mitgeteilt, dass sie nicht gestört werden wollte.
    Â»Jaaa?« Ihre Stimme war rau wie Schmirgelpapier.
    Â»Maja Holm?«, hörte sie eine höfliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
    Â»Mit wem … spreche ich?«
    Â»Sie haben sich kürzlich nach einer bestimmten Sache erkundigt.«
    Â»Habe ich das?«
    Â»Den Kauf eines Hauses betreffend. In der Losgata.«
    Sie rieb sich die Augen. »Und?«
    Â»Sind Sie immer noch an den Umständen dieses Kaufs interessiert?«
    Â»Mit wem spreche ich?«, wiederholte sie.
    Â»Falls dem so ist«, sagte die Stimme, ihre Frage ignorierend, »bin ich beauftragt worden, Ihnen Folgendes mitzuteilen.«
    Maja lachte kurz auf. »Hören Sie, wenn das ein Scherz sein soll …«
    Die Stimme fuhr fort: »Heringsinsel, Lagerhaus 11. In einer Stunde.«

    Maja sah auf dem Display der Bedienungsleiste, dass es 1.33 Uhr war. Sie schüttelte den Kopf.
    Â»Sie glauben doch wohl nicht, dass ich mitten in der Nacht …«
    Â»In einer Stunde. Eine weitere Chance wird es nicht geben.«
    Die Verbindung war unterbrochen. Maja stand der Mund offen. Nach einer Weile versuchte sie den Hörer wieder einzuhängen. Als ihr das nicht gelang, warf sie ihn einfach in die Badewanne.
    In der Suite war es vollkommen still. Hatte eben wirklich das Telefon geklingelt? Lagerhaus 11? Sie fragte sich, ob es überhaupt möglich war, binnen einer Stunde auf die Heringsinsel zu gelangen. Sie wusste kaum, wie sie aus der Wanne herauskommen sollte.
    Dennoch stand sie fünfundzwanzig Minuten später schwankend und mit nassen Haaren an der Rezeption. Einmal mehr hatten ihr die Pillen geholfen. Sie hätte nicht mal zu sagen gewusst, welche sie genommen hatte, nur dass es ihr vorgekommen war, als würde sie ein Elefant in den Hintern treten, und dass ihre Augen so höllisch brannten, dass Maja sie sich am liebsten ausgekratzt hätte.
    Â»HAT JEMAND FÜR MICH ANGERUFEN?«, fragte sie mit viel zu lauter Stimme.
    Der Nachtportier blickte erschrocken auf. Er wirkte ebenso aalglatt wie seine Kollegin.
    Â»Ihre Zimmernummer?«, fragte er.
    Maja wusste es nicht und gab ihm ihre Schlüsselkarte.
    Â»Einen Augenblick«, sagte der Nachtportier und warf einen Blick auf seinen Bildschirm.
    Â»Nein, es liegt keine Nachricht für Sie vor.«
    Â»Das habe ich nicht gemeint … hat jemand angerufen … können Sie die Nummer des Anrufers sehen … dort … auf dem Bildschirm?«

    Der Nachtportier schüttelte den Kopf. »Das ist leider nicht möglich. Erwarten Sie einen Anruf?«
    Â»Ãœberhaupt nicht.«
    Â»Aha …«, entgegnete er verwirrt.
    Â»Falls jemand nach mir fragt, ich bin im Lagerhaus, okay?«
    Der Nachtportier lächelte sie unsicher an. »Lagerhaus? Ich glaube nicht, dass …«
    Â»Lagerhaus 11, Losgata … jetzt ist es dreißig …« Sie hatte das Gefühl, ziemlich wirres Zeug zu reden, konnte es aber nicht besser erklären.
    Â»Denken Sie dran! Wenn jemand anruft … Stig oder so …«
    Er nickte mechanisch und wünschte ihr weiterhin eine gute Nacht.
    Â 
    Die Rückleuchten der Autos verbanden sich im Schein der Straßenlampen zu langen roten Bändern, die über die Umgehungsstraße schwebten wie kleine Galaxien. Maja konnte nicht

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