Die Anfänge meiner Welt
Ringkampfs) gerät. Blackmore
bewerkstelligt das, indem er sie durch und durch keusch und übermütigkindlich
darstellt. Er fand eine neue Formel für den Liebesroman, in dem die Heldin —
Jane Eyre etwa, zwanzig Jahre zuvor — üblicherweise den hohen Herrn heiratet.
Gebricht es dem Helden an gesellschaftlichem Rang, rückt seine männliche
Faszination in den Mittelpunkt, wobei die viktorianische Heldin natürlich nicht
wissen darf, wohin sie schauen muß. Lorna Doone nimmt in aller Unschuld
D.H. Lawrence’ Lady Chatterley vorweg. Wie Oliver Mellors glaubt John
fest an die natürliche Ordnung der Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Ein
Beispiel:
Ich
weiß, daß im Norden die Frauen das Korn schneiden dürfen... Bei uns aber tun die
Frauen, was ihnen recht eigentlich ansteht, sie folgen den Männern in
gebührendem Abstand von der schwingenden Sense, bücken sich und raffen die
Schwaden dort auf, wo die Schnitter sie hingeworfen haben. Sie legen ein Bündel
Halme darunter, führen es um die Garbe herum und verknoten es, wobei sie die
Garbe mit dem Knie festhalten...
Dieser kleine Exkurs über
ländliche Gebräuche erinnert an die Predigten über die rechte Haltung, die
Mellors so liebt. Blackmores Heldin würde jedoch nie tot in einem Kornfeld
liegen, schließlich haben wir es mit Symbolen zu tun: John Ridds Reiz liegt für
Lorna in der Autorität, die sich hinter seiner Ehrerbietigkeit verbirgt. Sie
kann für immer ein junges Mädchen bleiben. Es war alles andere als eine
perfekte Allegorie der Beziehung meines Vaters zu meiner Mutter, denn John Ridd
hat sowohl das behagliche Plover’s Barrow als auch seine Mutter, die die
Kindsbraut bemuttern kann, als er sie heimführt.
Ich stelle mir vor, daß Grandpa
wie Carver Doone innerlich schäumte, als er seine Tochter zum Altar führte und
sie diesem braven John übergab, und daß ihm deshalb bei meiner Geburt der Name
Lorna in den Sinn kam. Wie Carver hatte er für Erics John-Ridd-Mischung aus
unerschütterlicher Rechtschaffenheit, Bescheidenheit und männlicher Tapferkeit
nur Hohn und Verachtung übrig. Mein Vater war wie geschaffen für die Rolle des
verantwortungsbewußten Erwachsenen, als er aus dem Krieg zurückkam, und Grandpa
war auch sehr erpicht darauf, daß er sie übernahm, denn das bedeutete in erster
Linie, daß er die Löcher in der Pfarrhaus-Kasse stopfen würde. So konnte
Grandpa weiterhin die Röcke seiner klerikalen Würde raffen und sich auf seine
höhere Autorität berufen. Nach seinem Tod hatte mein Vater nicht einmal mehr
diesen schattenhaften Konkurrenten um die Position des Patriarchen, die er
trotz seiner jungen Jahre (1952 war er dreiunddreißig) sehr ernst nahm.
Wir »niederen Ränge« waren
chronische Gehorsamsverweigerer. Wir wollten seiner Truppe nicht angehören, wir
(meine Mutter ausgenommen) wußten nicht einmal, ob wir auf derselben Seite
standen wie er. Da er das spürte, hielt er ständig Ausschau nach Anzeichen von
Respektlosigkeit und pochte gereizt auf seine Autorität, die im Umgang mit
seinen Kunden und Angestellten oft genug ins Wanken geriet. In der Armee wurde
man, wenn man sich hochgedient hatte und zum Offizier ernannt worden war, nie
zu seinem alten Regiment zurückgeschickt; man kam zu einem anderen Regiment, in
dem die neue Funktion des Vorgesetzten nicht in Frage gestellt wurde. Als mein
Vater jedoch nach Hanmer zurückkehrte, wo er vor dem Krieg nur ein einziges
Kommando innegehabt hatte, nämlich bei den Pfadfindern, mußte er seine Position
fast täglich neu festigen.
Zu Hause war sein Wort Gesetz,
so sah er es. Die Jahre beim Militär hatten zusammen mit dem Granatsplitter
neben seiner Wirbelsäule einen Ladestock in seine Persönlichkeit getrieben. Der
Krieg gab ihm eine Berufung, der Frieden nahm sie ihm wieder, ließ aber ihr
Ethos unangetastet. Er identifizierte sich nicht mit der Offizierskaste in
Friedenszeiten, blasierten kalten Kriegern, die plaudernd im Kasino saßen und
Gin Tonic tranken. Dennoch wählte er 1945 die Torys, denn er fühlte sich jetzt
der staatstragenden Elite zugehörig. Er vermißte den Krieg geradezu, der Krieg war
seine schlimmste Zeit, seine beste Zeit, der Höhepunkt seines Lebens gewesen,
seine Hochschule und seine Bildungsreise. Es erstaunte ihn, daß er noch am
Leben war. In mancher Hinsicht aber war es, als hätte er das Beste schon hinter
sich, als hätte ihm das Leben nicht mehr allzuviel zu bieten. Die tägliche
Einsatzbesprechung in Form der
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