Die Angebetete
einen echten grünen Daumen.«
Dance lächelte. »Wissen Sie noch mehr über das Haus?«
»Dunkelgrün. Ein Eckhaus. Oh, und es hatte einen Carport, keine Garage. Die Frau war nett, also bin ich ihr bei ein paar Säcken mit Grassamen zur Hand gegangen. Sie war Mitte siebzig. Eine Weiße. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Ach ja, sie hatte Katzen.«
»Okay, Edwin. Wir werden das überprüfen.« Dance notierte sich die Einzelheiten. »Dürfen wir den Bereich hinter Ihrem Haus untersuchen, wo Sie den Eindringling bemerkt haben?«
»Sicher, na klar.«
Sie blickte nicht auf, fragte aber sogleich: »Und dürfen wir uns auch in Ihrem Haus umsehen?«
»Ja.« Hatte er für den Bruchteil einer Sekunde gezögert? Sie konnte es nicht sagen. »Falls Deputy Madigan mich vorher gefragt hätte, hätte ich es ihm auch erlaubt«, fügte er hinzu.
Dance hatte ihn dazu gebracht, Farbe zu bekennen, doch eventuell steckte gar kein Bluff dahinter. Sie sagte, sie würde einen Termin für den Besuch der Deputys vereinbaren.
Und sie stellte sich selbst die große Frage: Was ergab die Kinesik? Sagte Edwin Sharp die Wahrheit?
Sie war sich wirklich nicht sicher. Den Grund dafür hatte sie Madigan und den anderen am Montag erläutert: Ein Stalker ist für gewöhnlich ein Psychotiker, eine Borderline-Persönlichkeit oder ein schwerer Neurotiker, mit entsprechenden Auswirkungen auf seine Wahrnehmung der Realität. Das hieß, er beschrieb womöglich etwas, das er für die Wahrheit hielt, obwohl nichts davon tatsächlich zutraf. Als Folge würden seine kinesischen Reaktionen bei Unwahrheiten die gleichen sein wie bei objektiv wahren Aussagen.
Weiter erschwert wurde die Analyse durch Edwins verminderten Affekt – die Fähigkeit, Emotionen zu empfinden und zu zeigen, beispielsweise Stress. Man kann die Körpersprache nur dann verlässlich beurteilen, wenn der Stress einer Lüge das Verhalten des Befragten ändert.
Dennoch – Verhöre und Befragungen sind eine komplexe Kunst und können mehr enthüllen als lediglich den Versuch einer Irreführung. Bei den meisten Zeugen und Verdächtigen empfiehlt es sich, in erster Linie auf die Körpersprache und erst als Zweites auf die verbale Qualität zu achten – zum Beispiel die Tonlage einer Stimme und die Sprechgeschwindigkeit.
Auch der dritte Aspekt der menschlichen Kommunikation kann bisweilen hilfreich sein: der verbale Inhalt – was wir sagen, die eigentlichen Worte. (Ironischerweise ist das im Allgemeinen der am wenigsten nützliche Faktor, denn er lässt sich am einfachsten manipulieren und ist anfällig für Missverständnisse.)
Doch bei einem gestörten Individuum wie Edwin, auf dessen Kinesik nicht ohne Weiteres Verlass war, blieb vielleicht nur der Blick auf den verbalen Inhalt.
Aber was hatte er Hilfreiches von sich gegeben?
Wie zur Antwort auf ihre stumme Frage schüttelte er den Kopf, und das Lächeln wurde breiter. Es war unprofessionell, aber sie wünschte, er würde dieses Grinsen sein lassen. Seine Miene war für sie zermürbender als der schlimmste blutrünstige Blick eines Massenmörders.
»Sie halten mich für klug, Edwin. Aber glauben Sie auch, dass ich aufrichtig bin?«
Er überlegte. »Jedenfalls so aufrichtig, wie Sie sein können.«
»Wissen Sie, nach allem, was geschehen ist, halten Sie es da nicht für sinnvoll, nach Seattle zurückzukehren und auf das Konzert zu verzichten? Sie könnten ja auch zu einem späteren Zeitpunkt einen von Kayleighs Auftritten besuchen.«
Sie sagte das, um eine Reaktion zu provozieren und ihn zu Äußerungen über sein Leben und seine Pläne zu verleiten – Angaben, die sie bei der inhaltsbasierten Analyse nutzen konnte.
Sie hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass er ungläubig auflachen und sie fragen würde: »Das können Sie doch nicht ernsthaft von mir erwarten, oder?«
»Nein?«
»Kennen Sie Kayleighs Lied ›Your Shadow‹?«
Absolut nichts in seinem Gesicht wies darauf hin, dass dieser Song gewissermaßen als Visitenkarte für Morde genutzt wurde. »Klar«, sagte Dance beiläufig. »Ihr großer Hit. Sie haben ihn als das beste Lied bezeichnet, das je geschrieben wurde.«
Das Grinsen wirkte auf einmal nicht mehr so gekünstelt. »Das hat sie Ihnen erzählt, nicht wahr?« Er strahlte; seine Geliebte hatte sich an seine Zeilen erinnert. »Nun, wissen Sie, es geht in dem Lied um sie selbst.«
»Sie selbst? Kayleigh?«
»Genau. Die erste Strophe dreht sich darum, dass die Leute sie als Musikerin ausnutzen. Und dann
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