Die Angebetete
angeblich beobachtet wurde. Nun, wir haben dort im Staub Schuhabdrücke gefunden – von Cowboystiefeln, wie es aussieht, nicht von der Sorte Schuhe, die Müllmänner oder Arbeiter tragen würden. Der Wind hatte sie zum Teil schon verweht, aber wenigstens hat es in den letzten Tagen nicht geregnet, sonst wäre nichts mehr da gewesen. In diesem Zustand verraten die Spuren uns aber leider weder die Größe noch das Alter der Stiefel, noch das Geschlecht der Person. Und wir haben ungefähr dreißig Partikelproben genommen, aber die vorläufige Untersuchung hat nichts erbracht. Tut mir leid, Dennis – falls da etwas ist, wüsste ich nicht, wie es uns weiterhelfen könnte. Wir haben mittlerweile bestätigt, dass die Zigarette von gestern Abend bei Ihrem Motel eine Marlboro ist. Wir verfügen zudem über Asche vom Schauplatz des Anschlags auf Sheri Towne – Zigarettenasche, meine ich –, aber wir können mit unserer technischen Ausstattung nicht verlässlich ermitteln, von welcher Marke sie stammt oder wie lange sie schon dort gelegen hat.«
Eine Sekretärin kam zur Tür herein und überreichte Dennis Harutyun einen Stapel Papier. »Das sind die Antworten, auf die Sie gewartet haben, wegen Bobby Prescott. Die E-Mails sind endlich eingetroffen.«
Der Deputy überflog sie und lachte. Zwar nur leise, aber nach seinen Maßstäben war das ein fast schon überschwänglicher Gefühlsausbruch.
Er blickte auf. »Wie Sie wissen, bin ich der Frage nachgegangen, ob es noch andere Motive für den Mord an Bobby Prescott geben könnte«, sagte er.
»Und?«, fragte Dance.
»Nun, ich habe da vielleicht eines gefunden.«
»Raus damit.«
»Haben Sie schon mal von vier Typen namens John, Paul, George und Ringo gehört?«, fragte er.
48
Dance und O’Neil nahmen die Durchsuchung eigenhändig vor.
Es fühlte sich gut an, wieder bei ihm zu sein und mit ihm zusammenzuarbeiten. Zum Teil, weil es einfach angenehm war, eine nahestehende Person um sich zu haben, deren subtile Blicke, Mienen und Gesten man auch ohne jedes Wort verstand.
Zum Teil aber auch, weil sie ihre beruflichen Fähigkeiten kombinieren konnten. Denn gemeinsam waren sie mehr als die Summe ihrer individuellen Eigenschaften. Die Polizeiarbeit ist ein hartes Geschäft und lässt sich nicht allein bewältigen. Sie kann sogar regelrecht zum Albtraum werden, wenn man keinen guten Draht zu seinem Partner hat – und das bedeutet nicht nur ein unangenehmes Arbeitsklima, sondern auch, dass weniger böse Jungs gefasst werden.
Polizeiliche Ermittlungen können eine Form von Kunst sein wie ein Ballett, eine Choreografie aus Methode und Zielstrebigkeit, und mit Michael O’Neil empfand Dance dies in nahezu völliger Perfektion.
Der Ort, an dem sie ihre Harmonie nun zur Anwendung brachten, war Bobby Prescotts Wohnwagen, und ausschlaggebend für die Suche war Harutyuns Enthüllung über die Fab Four gewesen.
Dance glaubte inzwischen zu wissen, was hier am Vormittag nach dem Mord gestohlen worden war – von der Person, die Tabatha Nysmith in Bobbys Wohnwagen gesehen hatte. Und der entwendete Gegenstand war kein Andenken an Kayleigh Towne. Er hatte sogar nicht das Geringste mit der Sängerin oder dem Stalker zu tun – abgesehen von dem Umstand, dass, jawohl, Edwin Sharp anscheinend tatsächlich als Sündenbock herhalten sollte, genau wie er die ganze Zeit behauptete.
»Aha«, sagte sie ein wenig atemlos. Sie hielt einen Ordner in der Hand – und zwar aus dem Regal, aus dem etwas zu fehlen schien, wie sie bereits zwei Tage zuvor gemeinsam mit P. K. Madigan festgestellt hatte.
O’Neil kam zu ihr. Sie blätterten den Ringordner durch, in dem Bobby Prescotts Vater Einzelheiten über seine Arbeit als Toningenieur notiert hatte – in den Londoner Abbey Road Studios während der Sechziger- und Siebzigerjahre.
Dance erinnerte sich, dass Tabatha die illustre Karriere von Bobbys Vater erwähnt hatte.
Es war eine atemberaubende Liste der Talente jener Ära: Cliff Richard, Connie Francis, die Scorpions, die Hollies, Pink Floyd und natürlich die Beatles, die Yellow Submarine und Abbey Road dort eingespielt hatten. Viele der Notizen waren rätselhaft – es ging offenbar um Synthesizer, die Dynamik von Verstärkern, Akustikprobleme und irgendwelche Instrumente.
Doch am bedeutendsten war die Kopie eines handschriftlichen Briefes an Bobbys Vater:
13. Juni 1969
An Bob Prescott:
He, Kumpel, danke für den GROSSARTIGEN Job, Du bist wirklich der beste aller Toningenieure. Es war toll,
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