Die Angebetete
bleiben wollte. Doch dann schüttelte er den Kopf. »Die Sache ist die … Anne kommt aus San Francisco, um ein paar Dinge zu holen. Ich sollte da sein.« Er senkte den Blick. »Und morgen dürften die Papiere fertig sein, die Scheidungsvereinbarung.«
»So schnell?«
»Sie wollte nicht viel.«
Zudem befindet eine Frau, die ihren Mann betrügt und die Kinder verlässt, sich vermutlich nicht unbedingt in der Position, großartige Forderungen zu stellen, dachte Dance. »Geht es dir gut?« Eine dieser sinnlosen Fragen, die im Allgemeinen eher für den Fragenden wichtig sind als für den Gefragten.
»Ich bin erleichtert, traurig, stocksauer und mache mir Sorgen um die Kinder.« Was so ziemlich die ausführlichste Beschreibung seiner emotionalen Verfassung war, die sie jemals von Michael O’Neil gehört hatte.
Es herrschte für einen Moment Schweigen.
Dann lächelte er. »Okay, ich sollte mich jetzt lieber auf den Weg machen.«
Aber noch bevor er sich abwenden konnte, streckte Dance die Hand aus, legte sie ihm in den Nacken und zog ihn an sich. Dann umschlang sie mit dem anderen Arm seinen Leib und küsste ihn leidenschaftlich auf den Mund.
Sie dachte: Nein, nein, was zum Teufel machst du da? Hör auf!
Doch bis dahin hatte er sie bereits ebenfalls umarmt und erwiderte den Kuss ebenso fest.
Dann schließlich löste er sich von ihr. Trat noch einmal vor für einen weiteren Kuss, wobei sie ihn sogar noch fester umklammerte, und wich dann zurück.
Sie rechnete mit einem fragenden Blick, aber O’Neil sah ihr ohne jede Verlegenheit in die Augen, und auch sie fühlte sich gut. Beide lächelten.
Oje, was habe ich nur getan?
Den Mann geküsst, den ich aufrichtig liebe, dachte sie. Und dieser unwillkürliche Gedanke war noch verwirrender als der eigentliche Kuss.
O’Neil stieg in seinen Wagen. »Ich rufe dich an, wenn ich zu Hause bin. Wir sehen uns am Sonntag.«
»Fahr vorsichtig«, sagte sie. Ein Satz, der sie als Halbwüchsige immer tierisch genervt hatte, wenn sie ihn von ihren Eltern zu hören bekam. Als hätte sie vorgehabt, andernfalls gegen den nächstbesten Baum zu donnern.
Doch als Witwe, die ihren Mann bei einem Verkehrsunfall auf dem Highway verloren hatte, konnte sie sich manchmal einfach nicht zurückhalten. O’Neil schloss die Tür, sah sie noch einmal an und drückte seine linke Hand von innen gegen die Windschutzscheibe. Sie legte ihre Rechte außen auf das Glas.
Er ließ den Motor an und fuhr vom Parkplatz.
»Das schlägt ja wohl alles«, sagte Bishop Towne und trank einen Schluck Milch.
»Allerdings«, sagte Dance zu ihm und seiner Tochter. Sie saßen auf der Veranda vor seinem Haus. »Edwin Sharp war unschuldig. Er hat niemanden ermordet. Er wurde von vorn bis hinten hereingelegt.«
»Er ist trotzdem ein Arschloch.«
»Daddy.«
»Er ist ein mieses kleines Arschloch, und ich hätte nichts dagegen, wenn er für irgendwas hinter Gitter wandern würde. Aber es ist gut zu wissen, dass er kein Problem mehr darstellen wird.« Der grauhaarige Musiker sah Dance argwöhnisch an. »Das wird er doch nicht, oder?«
»Davon gehe ich aus. Er ist vor allem traurig, dass die persönlichen E-Mails und Briefe nicht von Kayleigh gestammt haben, sondern von Simesky.«
»Wir sollten diese Scheißkerle verklagen«, sagte Bishop. »Wie heißen die? Schlüsselfiguren? Zum Henker, was sind das für Wichser?«
»Daddy, wirklich, reiß dich zusammen.« Kayleigh nickte in Richtung Küche, wo Suellyn und Mary-Gordon soeben Sheri dabei behilflich waren, irgendetwas zu backen, das nach Muskatnuss duftete. Doch die raue Stimme des Mannes hatte wahrscheinlich nicht bis nach drinnen gereicht.
»Ich werde niemanden verklagen, Daddy«, sagte Kayleigh. »Wir können diese Art von Publicity nicht gebrauchen.«
»Tja, wir werden aber Publicity bekommen, ob wir wollen oder nicht. Ich rede mit Sheri darüber, wie wir das am besten anpacken sollten.« Dann klopfte er seiner Tochter auf die Schulter. »He, sieh es mal von der guten Seite, KT . Die Verbrecher sind tot, und Edwin spielt keine Rolle mehr. Also brauchen wir auch nicht mehr darüber nachzudenken, irgendwelche Konzerte abzusagen. Und wo wir gerade dabei sind: Ich habe mir die Reihenfolge der Songs noch mal vorgenommen, und ich glaube, wir müssen ›Leaving Home‹ verschieben. Das wollen nämlich alle hören. Am besten packen wir es in die Zugabe. Und ich würde den Kinderchor dazu bewegen, den letzten Teil auf Spanisch zu singen.«
Dance registrierte, dass
Weitere Kostenlose Bücher