Die Angebetete
Suellyn und ihre Tochter natürlich … Was? «
Alle Augen im Raum waren auf ihn gerichtet.
»Wann? … O, Scheiße.« Er unterbrach die Verbindung. »Also, ein Freund von dir hat ihn angerufen.« Ein Blick zu seiner Tochter. »Und gesagt, dass er die beiden abholen und herbringen würde.«
»Wer?«, schrie Kayleigh. »Wer zum Teufel ist das gewesen?«
»Richie kann sich nicht an den Namen erinnern. Aber der Betreffende kannte die Flugnummer und ihre Namen. Er hat behauptet, es wäre dir lieber, dass er sie abholt.«
»Wenn das wirklich dieser Edwin war, wie konnte er dann wissen, dass du Richie schicken wolltest?«, fragte Sheri.
Bishops Blick bohrte sich in den Boden. »Äh … Scheiße.«
»Was, Daddy? Was?«
»Sheri und ich haben heute im Herndon Café gefrühstückt. Es war nicht viel los, wir hatten den Laden fast für uns allein. Nur am Nachbartisch hat jemand gesessen, mit dem Rücken zu uns. Ein Mann, groß, schwarzes Haar. Mehr konnte ich nicht erkennen. Er könnte mit angehört haben, wie ich erst mit Suellyn und dann mit Richie telefoniert habe. Ich bezweifle es zwar, aber so könnte es gewesen sein.«
»Wann war das?«, fragte Dance.
»Kein Ahnung. Halb zehn, zehn.«
Edwin ist gegen elf Uhr ins Kino gegangen, dachte sie. Die Zeit könnte passen.
Sheri Towne ging zu Kayleigh und legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter. Dance sah, wie die Lippen der Sängerin schmaler wurden. Sheri zog sich wieder zurück.
»Aber woher sollte er Richies Telefonnummer kennen?«, fragte Kayleigh.
»Wurde Richie mal irgendwo auf deiner Internetseite oder in einem Zeitungsartikel erwähnt?«, fragte Dance.
»Kann sein. Er war einer meiner Mitarbeiter und Fahrer und wird in den Danksagungen der letzten Alben aufgeführt.«
»Bei all den Nachforschungen, die Edwin anstellt, könnte er sich durchaus im Vorfeld alle Nummern verschafft haben«, sagte Dance.
Kayleigh fing wieder an zu weinen. »Was machen wir denn jetzt?«
Dance rief Harutyun an und teilte ihm ihre Befürchtung mit. Er sagte, er wolle etwas überprüfen.
Während sie wartete, achtete sie auf Bishop. Er schäumte vor Wut – Sheri blieb auf Abstand. Und Dance fragte sich, auf wen der Zorn wohl gerichtet sein mochte. Wahrscheinlich auf Richie. Bishop schien die Schuld für seine Probleme grundsätzlich bei anderen Leuten zu suchen, nie bei sich selbst.
Nach endlosen fünf Minuten meldete Harutyun sich zurück. »Es gibt ein Video vom Flughafen. Eine Frau Mitte dreißig und ein kleines Mädchen sind in Edwins Buick gestiegen. Etwa eine halbe Stunde nachdem die Maschine aus Portland gelandet war.«
Dance sah die erwartungsvollen Blicke. Sie erzählte den anderen, was der Deputy ihr mitgeteilt hatte.
»Nein!«, schrie Kayleigh. »Nein!«
»Und … Agent Dance … Kathryn«, sagte Harutyun. »Die Feuerwehr hat sich gerade gemeldet. In dem Schuppen liegt nur eine Leiche.« Er zögerte. »Nicht besonders groß. Könnte ein Teenager sein – männlich oder weiblich – oder eine Frau. Kann man noch nicht sagen; der Leichnam ist bis auf die Knochen verbrannt. Falls es sich um die Schwester handelt, ist das kleine Mädchen wenigstens noch am Leben. Aber das heißt auch, dass sie sich in seiner Gewalt befindet. Und das möchte ich mir gar nicht genauer vorstellen.«
27
Kayleigh wählte hektisch noch einmal die letzte Nummer.
»Geh ran, geh ran, geh ran«, flüsterte sie. Und verzog das Gesicht. »Suellyn, ich bin’s. Ruf mich sofort zurück. Wirklich sofort . Es gibt ein Problem.« Sie schaute auf das Display. »Wie markiere ich das als dringend?« Ihre Stimme überschlug sich. »Ich weiß nicht, wie das geht. Wie markiere ich das als dringend?«
Dance nahm ihr das Telefon ab, sah genauer hin und drückte eine Taste.
Zuvor hatte sie darauf hingewiesen, dass Stalker für gewöhnlich nicht auf Angehörige losgingen.
Was wollte Edwin damit bezwecken, sofern er die beiden tatsächlich entführt hatte? Hatte die Festnahme ihn so sehr erzürnt, dass er einfach durchgedreht war? Hatte er Bishop an jenem Morgen ohne bestimmte Absicht verfolgt und zufällig von Kayleighs Schwester und Nichte erfahren? Im Wagen könnte er dann seine Gefühle für Kayleigh eingeräumt und Suellyn um Unterstützung gebeten haben. Als die Frau sich weigerte, brachte er sie um und behielt die Tochter in seiner Gewalt. Vielleicht wollte er sie selbst aufziehen wie eine kleine Kayleigh, die nur ihm gehörte. Dance hatte in ihrem Job schon so manches erlebt, aber sie war
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