Die Angst des wei�en Mannes
Im Zentrum von Banda Aceh erhebt sich die weithin strah lende Moschee Raya Baiturrahmau, das einzige Gebäude, das wie durch ein Wunder, als stände es unter besonderem göttlichen Schutz, vom Wüten der Natur verschont blieb.
Über Aceh war einst die Botschaft Mohammeds nach Indonesien eingedrungen, und seitdem galt dieses Sultanat als Zentrum ko ranischer Lehre und islamischer Wehrhaftigkeit. Gegen die Hol länder hatten die Glaubenskrieger jahrzehntelang hartnäckig Widerstand geleistet. Nach der Unabhängigkeit, der »Merdeka« Indonesiens, wurde dem Distrikt, der über gewaltige Erdgasreser ven verfügt, nach heftigen Kämpfen ein Sonderstatus gewährt. Aber damit gaben sich die Acinesen nicht zufrieden. Sie proklamierten eine Islamische Republik. Ihre politische Organisation GAM, »Freies Aceh«, forderte einen eigenen Staat.
Ein Jahr nach meinem Besuch von 1975 nahm der Aufstand die Formeines erbitterten Partisanenkrieges an. Die indonesische Armee verhängte das Kriegsrecht und ging mit großer Brutalität gegen die Rebellen vor. Vorübergehend wurde eine Waffenruhe vereinbart, die den Aufständischen »spezielle Autonomie« und eine Beteiligung von siebzig Prozent an den Gewinnen der Öl- und Gasproduktion zusicherte.
Zusätzlich wurde in Aceh offiziell die Scharia, die koranische Ge setzgebung, eingeführt. Der Kompromiß dauerte nicht lange. Die Streitkräfte Jakartas leiteten eine Großoffensive ein. Erst das Got tesgericht von 2004, der fürchterliche Tsunami, setzte dem gegen seitigen Morden ein Ende. In Helsinki wurde ein Abkommen un terzeichnet, das den Abzug des indonesischen Militärs und die Entwaffnung der Aceh-Miliz stipulierte. Ob dieser Waffenstillstand von Dauer ist, wird von den meisten Experten bezweifelt.
Bei der Rettungsaktion für die Tsunami-Opfer von Aceh hatte sich die US Navy besonders hervorgetan. Von ihren Flugzeugträ gern starteten die Hubschrauber und versorgten Gebiete, die auf dem Landweg kaum noch zu erreichen waren. Ich spreche Flaherty auf diese humanitäre Leistung an. Die riesigen »Carriers« der Ame rikaner seien tatsächlich für solche Einsätze besonders geeignet, be stätigt er, aber wenn sie vor der Küste eines von Wirbelsturm oder Überflutung heimgesuchten Landes auftauchten, das Präsident George W. Bush auf die Liste der »Schurkenstaaten« gesetzt hatte, wie das unlängst im Süden Burmas oder Myanmars der Fall war, dann würde das dortige Regime jede Kooperation verweigern aus der Befürchtung heraus, dieses humanitäre Flottenaufgebot könne neben seinen karitativen Zwecken auch den Sturz der dortigen Mi litärdiktatur beabsichtigen.
Ob im Pazifik in Zukunft noch einmal Seeschlachten stattfinden, in denen die Flugzeugträger die Entscheidung herbeiführen würden, wie das seinerzeit zwischen USA und Japan der Fall war, bezweifelt Flaherty. Vermutlich seien die Flugzeugträger, diese schwimmenden Dinosaurier, für einen elastisch geführten »asymmetric war« maritimen Zuschnitts, der sich vor allem auf den Einsatz von fast geräuschlosen U-Booten stützen würde, ebenso un tauglichwie die überschweren Panzer Abrams, Leo II, Centurion oder Merkava, die für eine konventionelle Feldschlacht konzipiert wurden, auf die Anschläge einer perfektionierten Partisanentaktik jedoch schwerfällig und unbeholfen reagieren.
Der Major läßt sich recht offen über die Situation Australiens aus. Das Bündnis mit Washington habe für Canberra absolute Priorität, auch wenn der erzkonservative Premierminister John Howard durch den liberalen Vorsitzenden der Labour-Party Kevin Rudd abge löst wurde. Jedem Fernsehzuschauer müsse der Unterschied auffal len zwischen dem bärbeißigen, beinahe aggressiven Auftreten John Howards und der bläßlichen Intellektualität seines Nachfolgers.
Aber Kevin Rudd sei nicht zu unterschätzen, bemerkt Flaherty. Dieser ehemalige Diplomat beherrsche die chinesische Mandarin-Sprache und verfüge über eine intime Kenntnis des Reiches der Mitte. Eine solche erweise sich als unentbehrlich für einen Staat kontinentalen Ausmaßes wie Australien, der zwar zu 92 Prozent von Weißen bevölkert ist, dessen komplementäre Wirtschaftsbeziehun gen zur Volksrepublik von Peking jedoch die wesentliche Voraus setzung für sein materielles Wohlergehen bleibe.
Ich erzähle Flaherty von meinem kurzen Zwischenaufenthalt in Darwin. Dabei hatten mich einige profunde Veränderungen beein druckt, die sich seit meiner letzten Australien-Expedition vor mehr
Weitere Kostenlose Bücher