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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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frischer Zigarettenstummel und das tiefe Sohlenprofil der Spuren entgingen ihm nicht. Er rollte einen der Stummel zwischen den Fingern und erkannte am Papier die Marke: Es war eine Bookstick.
    Hadrian umkreiste das Haus noch einmal und überzeugte sich davon, dass es keine weiteren Spuren gab. Dabei warf er einen Blick in die hell erleuchtete Küche. Dann stieg er auf die Veranda und fand die Haustür verschlossen vor. Er nahm den Schlüssel vom Sturz des Vorderfensters.
    Zwei der Leute am Küchentisch sprangen erschrocken auf, als er eintrat. Emily blieb sitzen. »Ich kann mich nicht entsinnen, meine Tür offen gelassen zu haben«, sagte sie, unternahm aber keinen Versuch, ihr mattes Lächeln zu verbergen.Sie schien nicht überrascht zu sein, ihn zu sehen. Jori hatte dem Krankenhaus einen Besuch abgestattet.
    »Am Nordufer hat sich eine Horde Verbrecher angesiedelt«, sagte er ohne Umschweife. »Sie wollen Carthage übernehmen.«
    Niemand sprach ein Wort. Die zwei Männer, beide von großer, schlanker Statur, mit kräftigen Händen und ledrigen Gesichtern, setzten sich wieder hin. Hadrian erkannte sie nun. Melville und Wilmot, zwei Farmer, die wie Emily dem Rat angehörten.
    Die Ärztin rührte sich als Erste. Sie stand auf und winkte Hadrian zu sich. »Lass mich zunächst mal sehen, wie dein Arm und die Schulter heilen«, sagte sie und bedeutete ihm, er solle Jacke und Hemd ausziehen. Erst nachdem sie die Wunden aus der Nähe begutachtet, die vernarbte Haut gedrückt und gezogen und dabei beifällig genickt hatte, rückte sie einen Stuhl für Hadrian vom Tisch ab. »Nur du bringst es fertig, ein Schiff zum zweiten Mal zu versenken«, sagte sie und vergewisserte sich, dass Hadrian die beiden Ratsmitglieder kannte. Es waren aufrechte, zuverlässige Männer, die der Gouverneur ursprünglich für die Arbeit im Rat nominiert hatte, weil sie stille Hinterbänkler sein und ihn stets unterstützen würden. Dennoch waren sie nun hier und trafen sich mit der politisch unabhängigen Emily außerhalb von Buchanans unmittelbarem Einflussbereich.
    »Jetzt von Anfang an«, bat Emily und reichte ihm einen Becher Tee. »Du bist mit meiner Stute zu den Camps geritten. Zum Glück hat sie allein zurückgefunden, ohne verspeist zu werden. Das ist alles, was ich weiß.«
    »New Jerusalem«, sagte Hadrian. »So nennen sie die Camps inzwischen. Das Gelobte Land.« Er entschied sich, nicht sämtliche Einzelheiten des letzten Monats preiszugeben, sondern erzählte von den Schmugglern, der
Anna
, Kinzlersgeheimnisvollem eingezäunten Areal und dem Aufenthalt in Sankt Gabriel. Er sprach fast eine Stunde lang, trank unterdessen Tee und aß dicke Scheiben Schwarzbrot mit Butter. Als er den Schmerz und die Wut in den Mienen seiner Zuhörer sah, überlegte er kurz, ob er fortfahren sollte. Doch wirklich überrascht schienen sie nicht zu sein. Offenbar hatten sie schon vorher etwas geahnt.
    Am Ende stand er auf, ging zum Fenster und betrachtete das Grundstück. »Wie oft habt ihr euch schon so getroffen?«
    »Drei- oder viermal«, sagte Emily. »Wieso?«
    Hadrian warf den Bookstick-Stummel auf den Tisch. »Jemand hat euch beobachtet. Er hat Polizeischuhe getragen. Es dürfte unter den Beamten mehrere geben, die diese Marke rauchen, aber nur von einem weiß ich es mit Sicherheit.«
    Die Farmer sahen Emily besorgt an. »Björn!«, rief sie. Dann stand sie auf und zog die Vorhänge zu. »Buchanan ist wütend auf uns. Er hat van Wycks Nachfolger ausgewählt, aber wir haben ihm die Zustimmung verweigert.«
    »Der Leiter der Müller-Innung«, sagte Hadrian und nickte. »Wie begründet ihr eure Weigerung?«
    »Offiziell brauchen wir das gar nicht. Wenn das Ergebnis nicht einstimmig ist, gibt es Neuwahlen.«
    Weshalb war es plötzlich so wichtig, dass die Müller im Rat vertreten waren?, grübelte Hadrian. »Und inoffiziell?«
    Emily verzog das Gesicht. »Die Drogen finden immer mehr Verbreitung. Ich habe ein halbes Dutzend Patienten mit Halluzinationen oder im Koma. Buchanan will erreichen, dass alle, deren Augen ausbleichen, verstoßen werden. Es seien Mutanten, behauptet er, und daher sei ihre Verbannung durch die Gesetze abgedeckt.« Sie warf dem Farmer rechts neben ihr einen verlegenen Blick zu. »Wilmots Tochter zählt zu den Betroffenen. Außerdem weiß niemand etwas über diesen Mann von der Müller-Innung. Er stammtvon irgendeiner entlegenen Farm und ist über Nacht an die Spitze der Innung gelangt, nachdem sein Amtsvorgänger überraschend

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