Die Asche der Erde
Hadrian und Nelly hin und her und fiel schließlich auf Jori. »Sind Sie immer noch bei der Polizei?«
»Ich habe einen Diensteid auf Carthage geleistet«, entgegnete sie trotzig.
Sebastian grinste. »Die gefällt mir«, sagte er zu Hadrianund zeigte dann auf das Schwert-Messer in Hadrians Gürtel. Er gab es ihm wortlos.
Nelly leistete keinen Widerstand, als der Erstgeborene die Hand ausstreckte und ihr den Revolver abnahm. Sebastian reichte Bogen und Köcher an Dax weiter und bekam dafür den Baseballschläger. »Du hältst hier Wache, Junge«, sagte er und zog die Tür auf. Als er eintrat, widerstand Hadrian dem Impuls, nach Björn Ausschau zu halten, der zwischen den Felsen wartete.
Sebastian nahm eine Laterne von einem Tisch an der Wand und führte sie einen langen abschüssigen Korridor hinunter, dessen alter Teppichboden mit Schlamm und Schimmel bedeckt war. Sie kamen an mehreren trübe beleuchteten Kammern vorbei, in denen große Edelstahltanks an ein Leitungsnetz angeschlossen waren. Im letzten dieser Räume beugte sich ein Mann in einem zerlumpten Laborkittel soeben über ein Becken. Aus den Rohren über seinem Kopf hörte Hadrian das leise Zischen von Dampf. Er dachte an den Rauch, den er tags zuvor gesehen hatte.
Für manche Teile der Fabrik war die Zeit einfach stehengeblieben. In die Wände waren Fächer mit Feuerlöschern und Notäxten eingelassen, überzogen vom zähen Schmutz vieler Jahre. An einem schwarzen Brett hingen Ankündigungen für eine Kirchenveranstaltung, ein Kaffeekränzchen, ein Firmenpicknick. Ein ausgeblichenes Banner rühmte: Wir retten Leben auf der ganzen Welt.
Schließlich erreichten sie einen hellen Konferenzraum. Hier gab es ein Oberlicht.
»Idiot!«, rief ein Mann aus dem Schatten Sebastian zu, als sie den Raum betraten. »Es ist niemandem gestattet …« Shenkers Stimme erstarb, als er die Neuankömmlinge erkannte.
»Du freust dich bestimmt, dass ich wieder fliehen konnte«, verkündete Nelly.
Shenkers Miene war alles andere als erfreut. »Natürlich.«
»Beeindruckende Anlage«, stellte Hadrian fest. »Wir hätten uns nie träumen lassen, dass man eine der alten Fabriken wieder in Betrieb nehmen kann.«
Die Narbe auf Shenkers Wange zuckte, weil er die Zähne zusammenbiss und von Nelly zu Hadrian blickte. Als er das Schwert-Messer in Sebastians Gürtel sah, grunzte er zufrieden auf und nahm es an sich. »Ich dachte schon, ich würde es nie wiedersehen. Ein Geschenk von meinem einäugigen Freund.« Er wandte sich wieder Hadrian zu. »Wir mussten improvisieren. Nur ein kleiner Teil der Geräte war noch zu gebrauchen. Aber es hat gereicht.«
»Umso erstaunlicher ist es, dass Sie hier Chemikalien herstellen, deren Einnahme nicht den sofortigen Tod bedeutet«, sagte Hadrian.
Shenker lächelte humorlos. »Es gab Anfangsschwierigkeiten. Wir können keine Laborsimulationen durchführen und mussten auf Testreihen ausweichen.«
»Sie meinen Menschenversuche.«
»Die Bergungstrupps sind eine hohe Ausfallrate gewohnt.«
Hadrian überdachte, was Shenkers eiskaltes Geständnis bedeutete. »Bergungsleute aus Sankt Gabriel werden von Wissenschaftlern der Ausgestoßenen geopfert. Interessante Art, ein Bündnis zu gestalten.«
»Saugers Leute sind nicht betroffen«, gab Shenker zurück.
Sebastian wurde sehr still. Nur seine Augen bewegten sich noch, richteten sich langsam von Hadrian auf Shenker. Die Bergungstrupps hatten überwiegend aus Erstgeborenen bestanden.
»Dennoch ist es kaum zu glauben, wie viel Sie erreicht haben«, ließ Hadrian nicht locker.
»Als Jonah Beck anfing, von Penizillin zu reden, sah Kinzler die Gelegenheit zu etwas noch Größerem. Eine synthetischeHerstellung der komplexen Wirkstoffe, die es früher gab, würde uns niemals möglich sein. Aber wir fanden hier eine ganze Bibliothek über die chemische Produktion mittels Schimmel- und Bakterienkulturen. Manche der Kulturen in den Becken hatten all die Jahre überdauert und brauchten nur Wärme und Wasser, um wieder zum Leben zu erwachen. Es dauerte Wochen, die richtigen zu finden, aber sobald wir die erst mal hatten, benötigten wir nur noch die Becken, Wärme, Wasser und Tische zum Trocknen.«
»Sie müssen sehr stolz auf sich sein«, sagte Hadrian.
Shenker spürte den Sarkasmus in seiner Stimme. »Seien Sie stolz auf Ihren toten Professor. Er hat das alles erst ermöglicht. Als wir seine Briefe sahen, ging uns ein Licht auf.«
»Ich kann mich eigentlich nicht daran erinnern, dir diese Briefe je
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