Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
Vom Netzwerk:
hingen noch immer drei Stoffstreifen. Gelb, rot, gelb. Stirnrunzelnd versuchte Hadrian sich zu erinnern, welche Farben er beim ersten Mal gesehen hatte. Rot, Blau, Rot. Sie hatten sich geändert.
    Er verfolgte die Rauchfahne, bis sie sich schließlich aufgelöst hatte, und widmete sich dann wieder der Fabrik. Diezwei Männer dort stiegen gerade durch eine Dachluke nach unten. Es war ihnen also weder um die Segelboote noch um die Fischschwärme gegangen. Sie hatten abgewartet, dass der Dampfer und seine Rauchfahne vollends verschwinden würden. Hadrian musterte ein weiteres Mal das Ufer. Die beiden hatten außerdem den Bootsschuppen im Auge behalten, in dem die Polizeibarkasse untergebracht war. Ihm fiel Buchanans Kritik an Jori Waller ein; sie habe sich bei den Dampfern im Hafen angeblich verzählt. Das hatte Hadrian keine Ruhe gelassen. Nun musste er daran denken, dass Jonah letzte Woche etwas ganz Ähnliches in sein Tagebuch geschrieben hatte. Um die Schönheit des Augenblicks angemessen zu würdigen, hatte er zehn Dampfer auf dem goldenen Wasser erwähnt. Doch Hadrian wusste, genau wie Jonah, dass eines der Schiffe gesunken war. Es gab nur noch neun. Fünf lagen derzeit im Hafen, aber das hatte nichts zu bedeuten, denn sie blieben oft über Nacht draußen, vor allem jetzt im Spätherbst, wenn sie so viel wie möglich fangen wollten, bevor das Eis einsetzte.
    Zerstreut wanderte sein Blick über Jonahs Markierungen auf der Brüstung. Der alte Wissenschaftler hatte an Rätseln wirklich das allergrößte Vergnügen gehabt. Hadrians Finger schlossen sich um den kühlen Stein in seiner Tasche. Er holte ihn heraus und betrachtete die verschlungenen Muster in dem Achat. Er würde die Morde erst verstehen können, wenn er die geheimnisvollen Windungen von Jonahs Leben durchschaute. Hadrian dachte an die Flaggen am Baum der Ausgestoßenen. Es hatte ein Signal nach Jonahs Ermordung gegeben. Nun gab es ein neues Signal, nachdem jemand Nelly und Shenker aus der Haft geschmuggelt hatte.
    Die ersten Sonnenstrahlen erreichten den Balkon. Hadrian genoss einen Moment lang die Wärme und lauschte den Geräuschen der erwachenden Stadt. Und plötzlich roch es nach Zwiebeln. Er fuhr herum. Im Türrahmen lehnte einhochgewachsener blonder Mann und hielt eine halb gegessene Zwiebel. Er nickte Hadrian zu und biss ein weiteres Stück ab. Es war Björn, der Leibwächter mit der reglosen Miene.
    »Er sagt, Sie sollen mitkommen«, sagte der Norger, während er noch kaute. »Sofort.« Als er sich aufrichtete, füllte er die gesamte Türöffnung aus. Mit einem Helm auf dem Kopf und einer Streitaxt in der Hand hätte er einen perfekten Wikinger abgegeben.
    Sie fuhren mit einem gedeckten Pferdewagen los, der hinter der Bibliothek wartete. Der große Norger ließ eine Peitsche über den Köpfen des Gespanns knallen, und sie bogen mit hohem Tempo auf die Straße ein, die nach Süden aus der Stadt führte. Hadrians Begleiter ignorierte dessen Fragen und sprach nur zu den Pferden. Gekonnt überholte er mehrere Transportkarren und raste mit laut ratternden Rädern über eine überdachte Brücke. Sie befanden sich fast acht Kilometer außerhalb der Stadt, als er das Gespann neben einem gleichartigen, aber leeren Wagen zum Stehen brachte, der am Fuß eines steilen bewaldeten Hügels angebunden war.
    Bevor Björn zu Fuß auf den Pfad einbog, wandte er sich zu Hadrian um. »War es schnell vorbei? Musste er leiden?« Sogar nach all den Jahren schwang in seiner Stimme immer noch ein leichter Akzent mit.
    Hadrian benötigte einen Moment, um zu begreifen. »Jansen? Nein. Er war vermutlich tot, bevor er wusste, wie ihm geschah. Es tut mir leid. War er …?«
    »Mein Vetter«, erwiderte Björn teilnahmslos.
    Als sie die Kuppe erreichten, sah Hadrian zunächst Jori Waller, die mit bleichem Gesicht auf einem Felsen saß. Sie sagte nichts und warf ihm nur einen entschuldigenden Blick zu. Sechs Meter weiter stand Lucas Buchanan neben einem dicken Baumstamm. Ein Stück entfernt hockte ein verängstigter Junge mit einem Bogen und einem Köcher voller Pfeile.
    »Er und sein älterer Bruder waren auf der Jagd und sind hierüber gestolpert«, erklärte Buchanan mit angespannter Stimme. »Der Bruder ist sofort in die Stadt geritten und hat mich verständigt. Sergeant Waller war gerade dabei, mich über Officer Jansens bedauerliches Ableben zu unterrichten.«
    Hadrian sah nun, dass hinter Buchanan zwei skelettierte Beine auf dem Stamm lagen. Ein Oberschenkelknochen war

Weitere Kostenlose Bücher