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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Holz hatte. Aber sie sagte, er muss auf eines der Boote. Und Kapitänin Reese duldet keine Widerworte.« Eine Dampfpfeife erklang. Der Mann hielt inne. »Sie ist der Skipper der
Zeus
«, erklärte er. »Hat das Boot vor Jahren nach dem Tod ihres Mannes übernommen. Komm ihr bloß nicht in die Quere. Sie kaut Fischköpfe zum Frühstück.« Er ging weg.
    Hadrian blieb bei dem leeren Anlegeplatz und wusste nicht weiter. Er war sich nicht einmal sicher, weshalb er glaubte, mit Reeses Mutter sprechen zu müssen. Er erwiderte den leeren Blick einer Möwe auf einem Pfahl, kehrte dann zur Mole zurück und setzte sich selbst auf einen Pfosten, um den Arbeitern zuzusehen. Ein Mann mittleren Alters trug einen Korb voller Fischabfälle an ihm vorbei, gefolgt von einem Jungen mit den dicken Handschuhen der Eisleute. Dann fielihm eine junge Frau mit Sonnenbrille auf. Um ihren Hals hing ein vertrautes Medaillon. Hadrian stand auf und folgte ihr in ein großes Stein- und Holzgebäude im Zentrum des Komplexes.
    Zu beiden Seiten des Durchgangs stapelten sich leere Holzfässer und warteten darauf, gefüllt zu werden. Einer der Jungen, die gerade eines der Fässer auf einen Handkarren wuchteten, trug ebenfalls eine Sonnenbrille. Die Frau ging in den mittig gelegenen Saal, in dem die Arbeiter zwischen den Schichten ihre Freizeit verbrachten. Hadrian beobachtete, wie sie mit zwei raubeinigen Bartträgern in der Segeltuchkleidung der Fischer sprach. Dann bog sie in einen anderen Gang ein, über dem ein Schild hing: Lager.
    Er folgte ihr durch einen schmalen Korridor in ein Gebäude, das bis in den letzten Winkel mit Fässern gefüllt war. Als sie ihren Schritt verlangsamte, versteckte er sich hinter einem Stapel Fässer und wartete. Es roch hier durchdringend nach Hickory und Eiche, Salzlake, Zwiebeln und eingelegtem Fisch. Plötzlich roch es nach noch etwas anderem: Bier und Schweiß.
    Hadrian fuhr herum und sah sich den beiden Bärtigen gegenüber, die mit der Frau geredet hatten.
    »Sie haben sich nach dem jungen Reese erkundigt, als hätten Sie noch etwas mit ihm zu klären«, sagte der Größere der beiden, ein schlanker, mürrisch dreinblickender Kerl.
    Hadrian wich entlang der Fässer zurück. Die beiden Männer folgten ihm. Sie trugen jeder ein Messingmedaillon mit einem eingeprägten Schakal.
    »Das war etwas Persönliches.« Hadrian behielt die Frau im Augenwinkel. Sie verfolgte belustigt, wie der zweite Mann ein Stemmeisen aufhob.
    »Was haben Sie mit einem toten Fischer zu tun?«
    »Wir waren befreundet.«
    Aus dem Schatten meldete sich eine neue Stimme zu Wort. »Das ist gelogen.« Das Gesicht des Mannes, der nun ins Licht vortrat, schien nur aus Narben und Knochen zu bestehen. »Der Junge hätte sich nie mit dir abgegeben, Hadrian Boone. Als er vierzehn war, hast du ihn von der Schule geworfen.«
    Hadrian erkannte den Mann und erschrak. Fletcher war der Leiter der Fischer-Innung und gehörte dem Rat an, aber mit seiner Augenklappe sah er wie ein Pirat aus. »Falls ja, dann nicht ohne guten Grund.« In Wahrheit hatte er nur diejenigen des Unterrichts verwiesen, die wiederholt handgreiflich gegen ihre Mitschüler geworden waren. »Und es wäre vor sehr langer Zeit gewesen.«
    »Nicht für ihn. Während seine Freunde weiter zur Schule gehen durften, musste er wegen dir auf See hinausfahren und sich im eisigen Regen beim Einholen der Netze blutige Hände holen. Er war ein guter Junge. Ein Held. Hat mich gerettet, als die
Anna
untergegangen ist.« Fletcher schaute kurz zu der Frau und zeigte einen Gang hinunter. Hadrian schob sich in ihre Richtung. Sie stieß eine leise Verwünschung aus. Offenbar war sie enttäuscht, das bevorstehende Unterhaltungsprogramm verpassen zu müssen. Als Fletcher die Geste mit mehr Nachdruck wiederholte, lief Hadrian geduckt auf sie zu und riss ihr die Sonnenbrille vom Gesicht. Die Frau rührte sich nicht und grinste höhnisch.
    Ihre Augen waren fast vollständig weiß, die Iris wie ausgewaschen. Fletcher sprang fluchend vor und verpasste der Frau mit erstaunlicher Geschwindigkeit eine Ohrfeige. Sie biss sich auf die Lippen, hob die Brille auf und ging weg. Ein halbwüchsiger Junge kam angerannt, flüsterte Fletcher etwas ins Ohr und eilte zurück den Gang hinunter.
    Als Fletcher sich wieder Hadrian zuwandte, war sein Lächeln eiskalt. »Du bist oben auf dem Selbstmordgrat gewesen. Die Kapelle brennt.«
    »Ich hab’s nicht so mit organisierter Religion.«
    Fletchers Lachen hallte vom Steinboden wider.

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