Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
Vom Netzwerk:
zurückkehrten, war die Stimmung der beiden Fischer sichtlich gedämpft. Sebastian brachte ein Tablett mit Brot und heißem Tee, stellte es vor Hadrian hin und löste Joris Fesseln. Sie setzte sich zu Hadrian an den Tisch und fing an zu essen, wagte es jedoch nicht, die Männer am anderen Ende anzusehen.
    »Es gibt heute Nacht eine Überfahrt nach Carthage«, verkündete Sauger. »Sie beide werden in der Nähe der Stadt an Land gesetzt und können sich wieder dem widmen, was Ihnen beliebt. Nennen wir es Ihre allerletzte Chance. Fletcher und Wade werden Ihnen gelegentlich kleine Aufträge erteilen. Falls Fletcher auch nur einen zusätzlichen Polizisten bei sich auf dem Gelände sieht oder von irgendeiner verdeckten Ermittlung Wind bekommt, wird er Sie beide aufspüren und töten. Falls Buchanan etwas gegen ihn unternehmen will und Sie Fletcher nicht vorher warnen, kann ich Sie ebenfalls nicht retten. Solange Sie kooperieren, stehen Sie unter Fletchers Schutz. Falls Sie sich als wertvoll erweisen, erhalten Sie in einigen Monaten vielleicht mehr Verantwortung übertragen. Die Zukunft hält großartige Möglichkeiten bereit.«
    Hadrian trank seinen Becher halb leer und erwiderte dann wortlos den Blick des Gastwirts.
    Sauger nickte Jori zu. »Sie können auch gern hierbleiben.« Er schob ihr quer über den Tisch eine kleine Blechdose zu. »Ihre Reize würden viel Wertschätzung erfahren.«
    Stumm starrte Jori das vertraute Etikett an.
Engelsglanz
.
    Aus irgendeinem Grund beugte Hadrian sich vor. Sein Kopf wurde schwer. »Buchanan wird mich wieder ins Gefängnis werfen. Ich bin zum selben Zeitpunkt verschwunden wie Nelly. Er wird glauben, ich hätte ihr zur Flucht verholfen.«
    »Hervorragend. So haben Sie ein paar Tage Zeit, über die neue Weltordnung nachzudenken. Und letztlich sind Sie immer irgendwie mit Buchanan fertig geworden.« Sauger legte eine vielsagende Pause ein. »Sie sollten allerdings nicht vergessen, dass Fletcher Sie auch hinter Gittern problemlos erreichen kann, falls er Ihren Tod wünscht.«
    Hadrians Kopf neigte sich immer weiter dem Tisch entgegen. Er sah, dass Jori neben dem Teller mit Brot zusammengesackt war. Man hatte den Tee mit irgendeinem Mittel versetzt.
    »Das klingt aber ziemlich nach der alten Weltordnung«, sagte er, wenngleich er nie erfuhr, ob er die Worte tatsächlich noch über die Lippen bekam, bevor er das Bewusstsein verlor.

K APITEL NEUN
    Sie befanden sich wieder im Laderaum der
Anna
, aber diesmal bei vollständig geöffneter Luke samt Leiter. Als Hadrian aufwachte, lehnte Jori bewusstlos an dem gegenüberliegenden Schott. Er spritzte sich Bilgenwasser ins Gesicht, stand auf und kletterte mit wackligen Beinen an Deck.
    Der kleine Dampfer gewann an Fahrt, weg von der untergehenden Sonne und hinein in einen schneidend kalten Nordostwind. Der Hafen von Sankt Gabriel lag etwa anderthalb Kilometer hinter ihnen. Hadrian sog gierig die eisige Luft ein und schüttelte die Benommenheit ab. Dann ging er zum Ruderhaus, wo der Steuermann stand. Das Gesicht des Mannes lag im Schatten, aber als Hadrian sich dem Dampfrohr näherte, mit dem die Kabine beheizt wurde, beugte er sich kurz über den Kompass. Die abgeschirmte Laterne über dem Instrument spendete nur gedämpftes Licht, es war jedoch ausreichend. Angst kroch Hadrians Wirbelsäule hinauf. Der Mann war Wade.
    »Wie ich sehe, hast du deinen Rausch ausgeschlafen.«
    Der gelassene Tonfall des Schlägers war irgendwie beunruhigender, als es ein willkürlicher Hieb gewesen wäre. Hadrian wich zurück und ging zu der kleinen Gestalt, die sich auf der Leeseite des Ruderhauses in eine Decke gewickelt hatte und den violetten Rauchschwaden zusah, die in den Abendhimmel aufstiegen.
    »Wir machen Sterne!«, rief Dax und zeigte auf die Funken, die aus dem Schornstein stoben. »Und wie schnell sie ist!«
    »Die
Anna
war schon immer die Flinkste von allen«, sagte Hadrian und hockte sich neben den Jungen. »Schneller, als sie eigentlich sein musste. Die Nachfolgemodelle hatten einen breiteren Rumpf und waren besser darauf ausgerichtet, Schleppnetze zu ziehen. Sie war einzigartig. Als ich hörte, sie sei in einem Sturm gesunken, hat mich das sehr traurig gemacht.« Während er sprach, schaute er zu der dichten Bewölkung im Südosten. Bei Tag würde die
Anna
in den Gewässern von Carthage auffallen. Hadrian stellte ein paar grobe Berechnungen an. Der direkte Weg quer über das Binnenmeer betrug mindestens zweihundert Kilometer, was bis Tagesanbruch nur

Weitere Kostenlose Bücher