Die Asklepios Papiere (German Edition)
erheblich. An eine Fortsetzung der Unterhaltung war nicht mehr zu denken.
Das ungewollte Konzert dauerte bis zum nächsten Halt. Der Mittel- und wahrscheinlich auch obdachlose Musiker schien den Streckenverlauf der Metro bestens zu kennen. Denn kurz vor dem nächsten Bahnhof unterbrach er sein Spiel, nahm seinen ausgeblichenen Hut vom Kopf, drehte ihn um und ging eine kleine Spende erbetend durch die Reihen der Fahrtgäste. Hannah schüttelte den Kopf. Doch gelegentlich zückte der eine oder andere Fahrgast etwas Kleingeld.
Als die Metro stoppte, stieg der Musikus aus und bestieg flugs das nächste Abteil, wo sich das gesamte Schauspiel wiederholte.
„ Ein echter Profi“, sprach Lennard genau das aus, was Hannah gerade dachte.
„ Ist das denn überhaupt erlaubt?“, fragte Hannah ungläubig. „Ich meine, als Gast wird man ja schon recht lautstark belästigt.“
Lennard zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber es wird auf jeden Fall geduldet.“
L uc saß in seinem Büro in der Polizeipräfektur und ertrug die Standpauke seines Kollegen mit stoischer Gelassenheit. Jean Loeb redete sich immer weiter in Rage. Was ihm denn einfalle so lange zu verschwinden, in der gesamten Abteilung wisse niemand etwas von einem Geheimauftrag und so weiter und so weiter. Luc empfand es schlichtweg als ermüdend. Die unbekannten Verdächtigen, die er auf geheime Weisung des Innenministerium beschatten sollte und denen er alle Schwierigkeiten der vergangenen vierundzwanzig Stunden in die Schuhe geschoben hatte, waren verschwunden und er selbst fein aus der Nummer raus. Zumindest was das Offizielle betraf. Jean würde sich schon wieder beruhigen.
„… mit dieser Toten von PSU hast du mich auch alleine gelassen“, schnappte er einen Fetzen der Schimpftirade auf . „Immer reden lassen“, dachte Luc. Der hat ´ne Frau und drei Kinder zu Hause. Da soll er hier ruhig mal etwas Dampf ablassen .
„ Hier und hier und hier“, schimpfte Jean und knallte Luc mehrere Akten mit offenen Vorgänge auf den Tisch, die in seine Zuständigkeit fielen.
„ Jean“, versuchte Luc seinen Partner zu beruhigen. „Du hast ja Recht! Ich habe dich hängenlassen. Aber Interpol hat wirklich ein Anfrage an unser Ministerium gerichtet und um Unterstützung gebeten. Von dort wurde ich direkt abkommandiert. Nicht mal der Alte wusste Bescheid.“ Damit meinte Luc ihren Vorgesetzten, Monsieur Luchini, der von allen nur liebe- und respektvoll der Alte genannt wurde. Niemand wusste genau wann er endlich in Pension gehen würde. Einige munkelten sogar, er habe die Altersgrenze längst überschritten, aber niemand traue sich, ihn vor die Tür zu setzen.
Jean hob ungläubig die Augenbraue.
„Hey Mann, habe ich dir schon jemals Bullshit erzählt?“
„ Ja, schon oft!“, antwortete Jean, dessen Wut durch Lucs Eingeständnis etwas zu weichen schien.
„ Lass uns morgen alles regeln, bitte! Ich habe zwei Nächte lang nicht geschlafen und muss noch den Bericht für Interpol tippen.“
„ Also morgen“, wiederholte Jean.
„ Genau. Es ist spät. Geh nach Hause und trink dir unterwegs bei Antoine einen Pernod auf meine Kosten, ja? Lass einfach anschreiben.“
Jean nickte. Er schien kein Interesse an der Fortsetzung des Disputs zu haben.
Sobald sein Partner das gemeinsame Büro verlassen hatte, entglitten Luc die Gesichtszüge. Stinksauer, dass ihm dieses verdammte deutsche Frauenzimmer abermals durch die Lappen gegangen war, wählte er Gerald Ginsters Telefonnummer. Er konnte noch immer nicht glauben, dass sich auch das Krankenhaus als Sackgasse erwiesen hatte. Niemand schien sich dort dafür zu interessieren, wenn Patienten der Notaufnahme einfach spurlos verschwanden. Die behandelnde Notärztin hatte ihn nur ausdruckslos angesehen und mit den Worten abgespeist, dass in ihrer Klinik niemand zur Behandlung gezwungen würde. Wer gehen wolle, könne selbstverständlich gehen. Sie sei zwar selbst erstaunt gewesen, aber so sei das eben manchmal.
„ Sie haben´s verbockt, was?“, meldete sich Ginster ohne Begrüßung.
„ Ich brauche Domino und zwar sofort!“, entgegnete Luc ebenso harsch.
„ Scheiße, wofür bezahle ich sie eigentlich, wenn ich hinterher doch alles selber machen muss?“
„ Dafür, dass ihre Schweinereien keine Spuren hinterlassen und ich Ihnen die Bullen vom Hals halte.“
„ Ach, und was sagen sie zum Selbstmord von unserer Mitarbeiterin Madame Mirabeau?“
„ Von wegen Selbstmord. Selbst ein blutiger
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