Die Aufrichtigen (German Edition)
in diese Lage gebracht und ich hole in da wieder raus. Wer kommt mit?«
Keiner rührte sich. Sogar ihrem Chef hatte es die Sprache verschlagen. Sophie blies enttäuscht die Luft aus.
»Dann gehe ich eben allein«, sagte sie trotzig.
»Ich bin dabei!«, sagte Julia.
Noch ehe der Kommissar etwas sagen konnte, setzten sich die Frauen in Bewegung.
»Wenn etwas schief geht«, schrie er ihnen wütend nach, »dann ist das allein Ihre Verantwortung, Frau Kolb!«
Es dauerte nicht lange, bis Sophie die Gittertür in der Nassauer Kapelle mit ihrem Dietrich geöffnet hatte.
»Glauben Sie, dass das eine gute Idee war?«, fragte Julia.
Sophie antwortete nicht. Sie drängte sich vorbei und ging die Stufen hinab. Julia zuckte mit den Achseln und folgte ihr. Unten schaltete Sophie das Fotolicht ihres Handys ein. Kurz darauf betraten sie die geheime Krypta. Sie war leer.
Sophie blies enttäuscht die Luft aus.
»Wäre auch zu einfach gewesen!«
Die schwache Lampe ließ den Schatten des Leuchters auf dem Altar an der Wand dahinter tanzen. Vom Fußboden zog ein kalter, modriger Geruch herauf. Was sollten sie tun? Wo konnte der Pater Leo gefangen halten?
»Moment mal«, zischte Julia und hielt Sophies Hand fest. »War da nicht was?«
Sophie schüttelte den Kopf.
»Ganz bestimmt, ich habe etwas gehört.«
Sophie legte ihren Zeigefinder auf die Lippen.
»Jetzt habe ich es auch gehört. Es kommt von da drüben.«
An der Wand neben dem Altar gähnte die Finsternis. Es war kaum zu hören, aber von dort kamen tatsächlich gedämpfte Geräusche. Waren das nicht Stimmen? Ging da nicht jemand auf und ab?
Sophie leuchtete die aus dicken Quadern gemauerte Wand ab. Nichts deutete darauf hin, dass es hier einen Durchgang gab. Doch dann sah sie die schmale Säule und die vom Rost braun gefärbte Schiene auf dem Fußboden.
»Hier muss es sein.«
Julia nickte.
»Leuchten Sie nach oben, an die Decke.«
Tatsächlich gab es auch an der Decke eine Schiene. Julia stemmte sich dagegen, doch die Säule bewegte sich nicht.
»Da kommen wir alleine nicht durch«, sagte sie.
Sophie achtete nicht auf ihre Begleiterin. Sie tastete die Säule ab. Wenn der Pater wirklich hier durch gegangen war, so musste es irgend einen Mechanismus geben, mit dem man die Säule an dieser Schiene entlang zur Seite schieben konnte. Endlich fand sie einen Stein, an dem der Mörtel fehlte. Es gelang ihr, den Stein heraus zu ziehen. Dahinter wurde eine Öffnung sichtbar. Sophie leuchtete hinein. Die Säule war hohl und innen befand sich ein Hebel.
»Was sagen Sie jetzt?«, fragte Sophie triumphierend. »Wir müssen vorsichtig sein, damit uns keiner hört. Es ist wichtig, den Pater zu —«
Sie sprach den Satz nicht zu Ende, denn Julia hatte schon ihre Hand in die Öffnung gesteckt und zog nun mit aller Kraft an dem Hebel. Es knirschte, die Verriegelung löste sich und die Säule ließ sich mühelos zur Seite schieben.
»Wollen Sie wieder voraus gehen?«, fragte sie.
Ein Stollen führte hinter dem schmalen Durchgang in die Dunkelheit. Sie fanden sich in einer Katakombe wieder. In den Wänden waren Nischen eingelassen, die mit einfachen Bildern und Symbolen verziert waren. In manchen lagen Scherben, in anderen Gebeine und Totenschädel. Sophie schlich weiter. Sie hatte ihre Waffe gezogen. Das Fotolicht reichte gerade, um ein paar Schritte weit zu sehen. Der Gang wurde breiter, ein Stollen zweigte ab, doch sie ließ sich nicht beirren. Dann blieb sie stehen. Eine aufgebrachte Stimme war zu hören. Der Pater! Jetzt musste Sophie handeln, sie durfte keinen Fehler machen. Es ging um Leo! Eine Tür versperrte den Weg. Julia drängte sich vorbei und drückte, noch ehe Sophie sie hindern konnte, die Klinke völlig lautlos hinunter und öffnete ebenso lautlos die Tür. Im Rahmen stand der riesige Pater. Er kehrte ihnen den Rücken zu und redete auf jemanden ein, der von hier aus nicht zu sehen war. In der Hand hielt er eine Eisenstange.
Sophie rammte ihm den Lauf ihrer Pistole in den Nacken. Pater Donatus zuckte zusammen. Er hob die großen Hände, noch ehe die anderen Sophies feste Stimme hörten.
»Keine Bewegung, Sie haben die Mündung meiner Pistole im Genick! Lassen Sie die Stange fallen oder ich drücke ab!«
Klirrend fiel das Eisen zu Boden. Im selben Augenblick drehte Sophie den Arm des Paters auf den Rücken. Dann schob sie ihn mit dem Lauf ihrer Waffe in den Raum.
»Sophie!«, rief Leo und lachte über das ganze Gesicht. Sie war gekommen, wie ein Held im
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