Die Augen des Drachen - Roman
Gefälligkeiten des Prinzen bekommen würde. Er freute sich auf weitere Korrespondenz, aber es erfolgte keine mehr.
Peter hatte alles, was er brauchte.
62
Als Kind war Ben Staad ein schlanker, blauäugiger Junge mit lockigem blondem Haar gewesen. Die Mädchen hatten seinetwegen geseufzt und gekichert, seit er sieben Jahre alt war. »Das wird sich bald ändern«, bemerkte sein Vater. »Alle Staads sind hübsche Jungs, aber wenn er erwachsen ist, wird er wie wir alle werden, vermute ich - sein Haar wird braun werden, und er wird durch die Welt gehen und sie mit zusammengekniffenen Augen beäugen und alles Glück eines fetten Mastschweins im Schlachthof des Königs haben.«
Aber keine der beiden ersten Vorhersagungen erfüllte sich. Ben war der erste männliche Staad seit vielen Generationen, der mit siebzehn noch so blond war, wie er es mit sieben gewesen war, und er konnte auf vierhundert Meter einen braunen Falken von einem schiefergrauen unterscheiden. Er entwickelte keineswegs ein kurzsichtiges Blinzeln, vielmehr war seine Sehkraft außerordentlich … und die Mädchen kicherten und seufzten immer noch seinetwegen, mit siebzehn genauso sehr wie mit sieben.
Was nun sein Glück anbelangt … nun, das steht wieder auf einem anderen Blatt. Dass die meisten Männer aus dem Geschlecht der Staads in den vergangenen hundert Jahren kein Glück gehabt hatten, das stand außer Frage. Bens Familie begann zu glauben, dass Ben derjenige sein könnte, der sie aus ihrem Zustand des verarmten
Adels erlöste. Immerhin war sein Haar nicht dunkel und seine Augen nicht kurzsichtig geworden, warum sollte er also nicht auch den Fluch des Unglücks durchbrechen? Schließlich war Prinz Peter sein Freund, und Peter würde eines Tages König werden.
Dann wurde Peter vor Gericht gestellt und des Mordes an seinem Vater schuldig gesprochen. Noch bevor jemand von der bestürzten Familie Staad sich’s versehen konnte, saß er in der Nadel. Bens Vater, Andrew, ging zu Thomas’ Krönung, und er kam mit einem blauen Fleck auf der Wange zurück - ein Fleck, den nicht zu erwähnen seine Frau für diplomatischer hielt.
»Ich bin mir sicher, dass Peter unschuldig ist«, sagte Ben an diesem Abend beim Essen. »Ich weigere mich einfach zu glauben...«
Im nächsten Augenblick lag er ausgestreckt auf dem Boden und seine Ohren klingelten. Sein Vater stand über ihm, Erbsensuppe tropfte ihm vom Schnurrbart, sein Gesicht war gerötet, beinahe purpurn, und Emmaline, Bens kleine Schwester, weinte in ihrem Kinderstuhl.
»Sprich den Namen dieses Mörders in diesem Haus nicht mehr aus«, sagte sein Vater.
»Andrew!«, rief seine Mutter. »Andrew, er begreift nicht …«
Sein Vater, der normalerweise ein überaus gütiger Mann war, drehte sich um und sah Bens Mutter an. »Schweig, Frau«, sagte er, und etwas in seiner Stimme ließ sie sich wieder setzen. Sogar Emmaline hörte auf zu weinen.
»Vater«, sagte Ben leise, »ich kann mich nicht daran erinnern, wann du mich das letzte Mal geschlagen hast. Ich glaube, es muss zehn Jahre her sein, wenn nicht länger. Und ich glaube nicht, dass du mich jemals im Zorn
geschlagen hast wie eben. Dennoch ändert das nichts an meiner Meinung. Ich glaube …«
Andrew Staad hob drohend einen Finger. »Ich habe dir verboten, seinen Namen noch einmal auszusprechen«, sagte er. »Und ich habe es auch so gemeint, Ben. Ich liebe dich, aber wenn du diesen Namen in den Mund nimmst, wirst du mein Haus verlassen.«
»Ich werde ihn nicht aussprechen«, antwortete Ben und stand auf. »Aber weil ich dich liebe, Vater, und nicht, weil ich Angst vor dir habe.«
»Lasst das!«, rief Mrs. Staad, ängstlicher denn je. »Ich möchte nicht, dass ihr beiden so miteinander zankt! Soll ich etwa den Verstand verlieren?«
»Nein, Mutter, keine Bange, es ist vorbei«, sagte Ben. »Oder nicht, Vater?«
»Es ist vorbei«, sagte sein Vater. »Du bist in allen Dingen ein guter Sohn und bist es immer gewesen, aber sprich seinen Namen nicht aus.«
Andy Staad war der Meinung, dass es Dinge gab, die er seinem Sohn nicht erzählen konnte - wenngleich Ben siebzehn war, betrachtete Andy ihn immer noch als kleinen Jungen. Es hätte ihn überrascht zu erfahren, dass Ben die Gründe für den Schlag genau verstand.
Vor der unglücklichen Wendung der Ereignisse, die ihr bereits kennt, hatte sich das Los der Familie Staad durch Bens Freundschaft mit Peter bereits zum Besseren gewendet. Ihr Bauernhof in den Inneren Baronien war einstmals sehr groß
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