Die Augen
sein. Vielleicht sogar … in Stein gemeißelt. Buße. Wie auch immer das … Urteil … des Universums ausfällt, in Maggies Vorstellung gibt es nur einen Weg, den Fehler, den sie glaubt, gemacht zu haben, wirklich zu korrigieren: diesen Perversen aufzuhalten, hier und jetzt. Und dafür wird sie alles tun, was in ihrer Macht steht, egal, was es sie selbst kostet.«
»Sehe ich auch so. Außerdem meine ich, du tust ihr keinen Gefallen, wenn du versuchst, sie zu beschützen, und du wirst sie nicht von dem abhalten, was sie glaubt, tun zu müssen.«
»Bist du sicher? Kannst du da überhaupt sicher sein?«
»Fragst du mich, ob ich weiß, was die Zukunft bringen wird?«
John wappnete sich sichtlich für die Antwort und erwiderte: »Ich schätze, genau das frage ich dich hier. Kann ich sie beschützen?«
»Nein.«
Nach langem Schweigen atmete John tief durch und sagte leichthin: »Es macht dir nichts aus, wenn ich es versuche?«
»Ich hätte nichts anderes erwartet.«
John nickte. Dann wandte er sich wortlos um und ging.
Wieder allein im Konferenzraum murmelte Quentin in die Stille hinein: »Das Schicksal erwartet auch nichts anderes von dir, John. Ich frage mich, ob dir das klar ist.«
Als Andy kurz darauf in den Konferenzraum kam, lümmelte Quentin auf seinem Stuhl. Die Füße hatte er auf eine geschlossene Akte auf dem Konferenztisch gelegt. Die Hände lagen verschränkt auf seinem Bauch, die Stirn in Falten.
Andy kannte den Agenten nicht besonders gut, aber er bemerkte Besorgnis, wenn er sie sah. »Besorgt wegen John?«
»Hm?« Er sah Andy an und blinzelte.
»Ich habe Sie gefragt, ob Sie sich Sorgen wegen John machen. Ich habe ihn vor einer Weile aus dem Haus gehen sehen, und er sah aus, als wäre er ein bisschen … aus der Fassung.«
Geistesabwesend erwiderte Quentin: »Ja, im Augenblick sieht man ihm seine Gefühle ziemlich gut an, was?«
»Er fährt Maggie hinterher?«
»Ja.«
Geduldig fragte Andy: »Und das macht Ihnen Sorgen?«
Quentin blinzelte erneut, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, das nicht. Sinnlos, sich wegen etwas zu sorgen, dass vor langer Zeit in Stein gemeißelt wurde.«
Andy wollte ihn schon fragen, was er damit meinte, doch dann beschloss er, dass er das eigentlich nicht wissen wollte. »Was dann?«
»Hatten Sie schon mal ganz stark das unangenehme Gefühl, dass Sie was übersehen haben?«
»Hin und wieder.«
»Und?«
»Und normalerweise stelle ich dann fest, dass ich was übersehen habe.«
»Eben. Ich auch.« Quentin starrte den mit Papieren übersäten Tisch an. »Irgendwo in diesem Krempel steckt ein Detail, dem ich mehr Aufmerksamkeit hätte schenken sollen.«
»Genauer geht’s nicht?«
»Nein. Verdammt.« Er nahm die Füße vom Tisch, setzte sich auf und öffnete mit ziemlich grimmiger Miene die geschlossene Akte vor sich. »Aber ich werd’s herausfinden, weil mich das nämlich höllisch nervt.«
Andy zuckte gleichmütig mit den Achseln. »Lassen Sie mich wissen, wenn Sie’s gefunden haben.«
Als John zu dem verlassenen Gebäude kam, in dem man Samantha Mitchells Leiche gefunden hatte, wunderte es ihn nicht, dass die gesamte Umgebung beinahe menschenleer war. Es war kein besonders verlockendes Wetter – kalt, bewölkt, trübe, zudem fiel von Zeit zu Zeit ein dünner Nieselregen –, und das Viertel war auch nicht gerade ansprechend. Ganz im Gegenteil. Die wenigen Gebäude in Sichtweite, die nicht bereits zum Abbruch vorgesehen waren oder deren Abbruch sogar schon begonnen hatte, wirkten mit ihren vergitterten Fenstern und Türen wie Festungen gegen eine unbekannte Bedrohung.
Maggies Wagen parkte vor dem Gebäude, in dem man Samantha gefunden hatte. Sie stieg aus, während er sein Auto abstellte, und wartete auf dem Gehsteig auf ihn.
»Nicht gerade ein heiterer Ort«, bemerkte er, als er sie erreichte.
»Wohl kaum«, stimmte Maggie zu. Wie so oft hatte sie den Skizzenblock wie einen Schutzschild an die Brust gedrückt. Die kalte Brise hatte ihre Nasenspitze gerötet und wühlte ihre langen Haare auf, sodass es schien, als hätten sie ein Eigenleben. »Es sieht fast so aus, als würde er die Orte, an denen er seine Opfer liegen lässt, teilweise wegen ihrer Trostlosigkeit auswählen. Als wollte er, dass die Frauen sich … verlassen vorkommen. Allein.«
»Vielleicht ist das der Grund. Vielleicht gehört das alles zu seinem kranken Spiel, seine Opfer in jeder Hinsicht zu isolieren.«
Sie zitterte sichtlich. »Ja.«
»Maggie, vielleicht sollten Sie hiermit
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