Die Augen
gar nicht wissen. Sind Sie heute aus einem besonderen Grund zu mir gekommen?«
»Ja. Ich möchte mit Ihnen über Christina Walsh reden. Und warum sie gestorben ist.«
6
Montag, 5. November
Quentin sah sich in dem geräumigen Zimmer um und sagte: »Es gibt Hotelzimmer, und dann gibt es Hotelzimmer.«
Ohne von ihrem Laptop aufzublicken, meinte Kendra: »Das ist schon das dritte Mal, dass du so was sagst. Mach nur so weiter, dann denkt John, das FBI bringt seine Agenten in Hinterhofabsteigen voller Kakerlaken und Ratten unter.«
»Ich habe nie gesagt, dass es so schlimm ist.« Quentin ging in die Kitchenette und kam mit einer frischen Tasse Kaffee zurück ins Wohnzimmer. »Aber du musst zugeben, das hier ist viel, viel besser als unsere üblichen Absteigen.«
Da sah Kendra doch auf und blickte sich ein wenig geistesabwesend im geräumigen, luftigen Wohnzimmer ihrer Zwei-Schlafzimmer-Suite um.
Der Raum war für Geschäftsleute konzipiert. Ein großzügig geschnittener Schreibtisch mit sämtlichen modernen technischen Errungenschaften – darunter eine Telefonanlage mit mehreren Leitungen, ein Faxgerät und ein Computer, die vom Hotel gestellt wurden – sowie ein Konferenztisch für acht Personen nahmen die Hälfte des Raumes ein. Auf der anderen Seite des Zimmers verhieß eine um einen großen Fernseher angeordnete Sitzgruppe Entspannung, Gespräche oder Unterhaltung.
Der Raum war luxuriös im wahren Sinne des Wortes Luxus – keine Verzierungen, nichts Vergoldetes, sondern schöne, gut gemachte und bequeme Möbel und Einrichtungsgegenstände, dazu eine dezente, geschmackvolle Dekoration. Eigentlich nicht überraschend beim besten Hotel der Stadt.
Kendra lächelte, als sie sah, wie Quentin befriedigt das Ölgemälde über dem Schreibtisch betrachtete, sagte jedoch mild: »Bei deinem Faible für Luxus weiß ich wirklich nicht, warum um alles in der Welt du zum FBI gegangen bist.«
»Ich habe kein Faible für Luxus, ich genieße es einfach nur, in einem Zimmer zu wohnen, das nicht das Duplikat jedes anderen Zimmers in diesem Haus ist.«
Kendra gab wie immer vor, nicht bemerkt zu haben, dass er der impliziten Frage nach seiner Vergangenheit elegant ausgewichen war. »Nun, könntest du mir bitte trotzdem die Akte der Spurensicherung geben? Wenn ich die auch noch komplett in unsere eigene kleine Datenbank mit Ermittlungsergebnissen eingegeben habe, haben wir alles, von dem die Polizei sagt , das sie es hat.«
»Du bist genauso paranoid wie John«, schalt er sie, nahm die Akte vom Stapel auf dem Schreibtisch und reichte sie ihr über den Konferenztisch hinweg.
»Das nehme ich dir übel«, sagte John, der aus Quentins Schlafzimmer kam und sein Handy zuklappte. Seine Lederjacke hing über einem der Stühle im Wohnzimmer, und er steckte das Handy in eine Jackentasche, ehe er sich am Konferenztisch zu ihnen gesellte.
»Die Wahrheit solltest du nie übel nehmen«, erwiderte Quentin. »Hast du Maggie erwischt?«
»Ich habe ihre Voicemail erreicht. Habe sie gebeten, wenn möglich in den nächsten vier Stunden hier vorbeizukommen oder mich um vier auf der Wache zu treffen.« John warf Quentin einen sarkastischen Blick zu. »Ich war sehr höflich und zurückhaltend. Kein Druck, keine Forderungen, nur eine freundliche Bitte.«
Quentin sagte ernsthaft: »Die Zeit für Forderungen wird schon noch kommen, John, glaub mir.«
»Wie meinst du das?«
Die Antwort gab Kendra. Sie hob den Blick nicht von den Akten, deren Informationsgehalt sie in die Datenbank auf dem Laptop eingab. Ihre Finger flogen über die Tastatur, während sie sprach. »Bei Ermittlungen dieser Art verstärken sich die Gefühle aller Beteiligten normalerweise mit der Zeit immer mehr, sie werden unberechenbar. Logisch. Nicht nur die der Opfer, auch die der Ermittler. Es wird für uns alle schwer werden, aber für eine Empathin ganz besonders. Es wird ein Punkt kommen, an dem Maggies Selbsterhaltungstrieb sie zwingt, sich von all den Schmerzen um sie herum zu distanzieren.«
»Und dann stellen wir unsere Forderungen?«, fragte John und beobachtete Kendra, unwillkürlich fasziniert. Dies war seine erste Begegnung mit Quentins Partnerin, und bisher war es ihm noch nicht recht gelungen, aus ihr schlau zu werden. Sie war eine ruhige, beherrschte Frau mit üppigem braunem Haar und sanften braunen Augen, hübsch, doch nicht außergewöhnlich – was sie natürlich unübersehbar doch war.
»Das müssen wir dann. Natürlich immer vorausgesetzt, sie ist uns bei
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