Die Augen
Impuls heraus jemanden getötet hat, und ich möchte, dass das so bleibt. Das ist der Unterschied, ob man nur schlecht ist oder richtiggehend böse.«
»Hm.« Kendra musterte sein Profil noch einen Augenblick, dann sagte sie: »Warum habe ich nur das Gefühl, dass es in deiner geheimnisumwitterten Vergangenheit eine ganze Reihe solcher Geschichten wie die von Joey gibt?«
»Das ist bestimmt deine lebhafte Fantasie.«
Sie seufzte, nicht überrascht. »Du hast mich da in einen ganz schön dreckigen Laden geschleift.«
»Tut mir Leid.«
»Du schuldest mir ein neues Paar Schuhe.«
Da ihre Fragen zwar unbeantwortet in der Luft hingen, sie aber auch mächtig anspornten, blieben John und Maggie noch einige Stunden und halfen bei der Durchsicht der Aktenkartons auf der Suche nach weiteren Informationen über alte Verbrechen. Innerhalb einer Stunde stapelten sich auf jedem freien Stuhl die Akten, ohne dass sie Erfolge zu verzeichnen gehabt hätten.
Es war beinahe ein Uhr, als Scott und Jennifer zu einem späten Mittagessen gingen und ihnen auch etwas mitbringen wollten. John nutzte die Gelegenheit, Andy von Quentin und Kendra zu erzählen.
»Scheiße«, sagte Andy, allerdings eher verblüfft denn verärgert. »FBI-Agenten – und inoffiziell? Ich wusste gar nicht, dass das FBI irgendwas inoffiziell tut.«
»Sie gehören zu einer relativ jungen Einheit von Ermittlern und sind ein bisschen unabhängiger als die meisten. Sie sind sehr gut, Andy, und völlig vertrauenswürdig. Und sie haben kein Interesse an den Lorbeeren, egal, wer den Fall knackt.«
»Das war verdammt anmaßend von Ihnen, John.«
»Ich weiß. Und ich entschuldige mich dafür, wenn Sie es wünschen – nicht dafür, dass ich sie dazugerufen habe, sondern dafür, dass ich es Ihnen nicht vorher gesagt habe.«
»Wow, wie großzügig von Ihnen.«
John lachte in sich hinein.
Nicht bereit, sich so schnell erweichen zu lassen, sah Andy Maggie streng an. »Du hast auch davon gewusst?«
Sie erwiderte seinen Blick geradeheraus. »Mir ist es auch ziemlich egal, wer die Lorbeeren erntet, Andy. Oder wer hilft. Hauptsache, wir bekommen diese Bestie in einen Käfig, wo sie hingehört.«
»Drummond wird im Quadrat springen.« Andy seufzte. »Er hat mich heute schon einmal zusammengestaucht, John, dank Ihnen. Tun Sie mir einen Gefallen und halten Sie Ihr berühmtes Profil ab jetzt aus den Titelseiten heraus, ja?«
»Ich werde es versuchen. Und keiner von uns will, dass Drummond das hier zu bald erfährt, glauben Sie mir. Und wenn er es herausfindet, dann war ich es, der sie hinzugezogen hat – nicht Sie oder irgendjemand, der Drummond untersteht.«
Andy beäugte ihn sarkastisch. »Haben Sie einen unbewussten Todeswunsch?«
»Ich werde mit Drummond fertig.« John lächelte. »Ich werde schließlich seit fünfzehn Jahren mit Männern wie ihm fertig.«
»Er hat ‘ne Menge Vitamin B hier in der Stadt, John.«
»Ich auch. Ich habe bisher bloß noch keinen großen Gebrauch davon gemacht.«
»Okay, okay. Hauptsache, Ihnen ist jetzt klar, dass er nicht glücklich darüber sein wird. Und keiner von meinen Leuten dafür geradestehen muss.«
»Keine Sorge.«
»Wenn das so ist – wann lerne ich Ihre Agenten da denn kennen? Ich wüsste gerne, mit wem ich arbeite.«
»Wir können uns mit ihnen im Hotel treffen, wann immer Sie wollen, nur jetzt sind Quentin und Kendra gerade nicht da. Sie versuchen, möglichst viel über die angebliche Entführung herauszufinden. Sie zweifeln genauso daran wie Ihre Leute, aber wie Maggie schon gesagt hat – derjenige, der diese Nachricht geschickt hat, könnte etwas über Samantha Mitchell wissen, und wir müssen herausfinden, was das sein könnte.«
»Sie glauben, die beiden finden was, ehe meine Leute was finden?« Es war keine ganz ernst gemeinte Kampfansage.
John lächelte. »Nun, sagen wir einfach, ich habe gelernt, nie gegen Quentin zu wetten. Auf die eine oder andere Weise findet er immer, wonach er sucht.«
11
Andy beschloss, die Zahl der Mitwisser um die Beteiligung der FBI-Agenten am Fall strikt auf Scott und Jennifer zu beschränken. Die übrigen Detectives sollten es nicht erfahren.
»Alle meine Leute reißen sich bei diesen Ermittlungen den Arsch auf«, erklärte er Maggie und John, »aber diese beiden hier haben Initiative bewiesen und auch mal über den Tellerrand geschaut. Außerdem weiß ich zufällig, dass sie sich darüber freuen würden – und das kann man nicht von jedem sagen.«
Scott und Jennifer
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