Die Auserwählte: Roman (German Edition)
Küchentisch.
»Mom?«, sagte ich, als sie die Toastscheiben auf einem Teller stapelte.
Sie blickte zu mir auf. »Hm?«
Ich war mir nicht mehr sicher, was ich hatte sagen wollen, und sagte deshalb gar nichts. Stattdessen überraschte ich uns beide, indem ich sie umarmte und an mich drückte. Für den Bruchteil einer Sekunde verkrampfte sie sich, doch dann entspannte sie sich und zog mich näher an sich.
»Ich habe dich lieb, Mom.«
»Ich habe dich auch lieb, Mia«, entgegnete sie flüsternd, als wollte sie vermeiden, dass es irgendjemand anderer hörte.
Sie hält dich für verflucht, erinnerte mich eine fiese kleine Stimme.
Parker tauchte in Schulmontur in der Türöffnung auf. Als er uns sah, starrte er uns an und war ebenso sprachlos, wie ich es kurz zuvor gewesen war.
»Hast du Hunger?«, fragte ihn Mom.
»Und wie«, sagte er. Er suchte meinen Blick und grinste. Ich erinnerte mich an die Abmachung, die ich am Abend zuvor mit Katrina getroffen hatte, und erwiderte sein Lächeln nicht.
»Ich muss früh in der Schule sein«, sagte ich zu ihm. »Beeil dich mit dem Essen.«
»Nein, nein«, erwiderte Mom, »ich möchte, dass ihr beiden euch entspannt und in Ruhe frühstückt. Die Schule kann warten.«
»Es ist ziemlich wichtig«, entgegnete ich und sah Parker noch immer mit schmalen Augen an, als er sich mir gegenübersetzte.
»Mia, bitte.« Mom brachte die letzten Scheiben Toast an den Tisch. »Das ist ein besonderer Morgen. Ich finde, wir sollten ein Gebet sprechen, bevor wir essen.«
Parker erstarrte mit einem Löffel Haferbrei auf halbem Weg zu seinem Mund.
Sie fuhr fort: »Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Wir müssen anfangen, richtig zu leben, und wir müssen jetzt damit anfangen. Ihr habt ja gehört, was Prophet über das Unwetter gesagt hat. Nur noch drei Tage – nein, zwei Tage, bis es eintrifft. Wir müssen vorher mit Gott ins Reine kommen.« Mom richtete den Blick auf mich. »Mia, würdest du bitte beten?«
Parker schlug die Tür meines Autos zu. »Warum konntest du nicht einfach das bescheuerte Gebet aufsagen, als sie dich darum gebeten hat? Wenn Beten vor dem Essen dafür sorgt, dass sie sich besser fühlt, dann sollten wir es tun.«
»Mag sein, dass sie sich dann besser fühlt , aber es wird nicht dafür sorgen, dass es ihr besser geht «, erwiderte ich.
»Aber es geht ihr doch schon besser! Du hast doch gesehen, wie sie heute Morgen drauf war. Sie ist aufgestanden und hat sich angezogen. Sie hat Frühstück für uns gemacht. Sie bemüht sich! Ich wette, das liegt daran, dass sie nicht mehr all diese Medikamente nimmt, die du ihr aufgezwungen hast.«
»Ich habe sie nicht gezwungen, irgendwas zu nehmen«, bellte ich und fuhr schwungvoll vom Randstein los. »Außerdem glaubt sie, dass in zwei Tagen die Welt untergeht. Nennst du das einen gesunden Verstand? Ich nicht.«
Parker brodelte schweigend.
»Apropos Weltuntergang …«, sagte ich beiläufig. »Du hast nicht zufällig von den Suchenden gehört, oder?«
»Nein.«
»Gut.« Ich nickte zufrieden. »Jetzt weiß ich wenigstens, dass du keine Skrupel hast, mir ins Gesicht zu lügen.«
Mein Bruder erstarrte wie ein Reh, das hoffte, der Jäger habe es nicht entdeckt. Dann atmete er die Luft aus, die er angehalten hatte. »Bleibt mir denn was anderes übrig? Wenn ich es dir gesagt hätte, wärst du wieder ausgerastet und …«
»Und was?«
»Und außerdem trete ich ihnen sowieso bei! Ich glaube, sie haben Recht, Mia! Irgendwas stimmt nicht mit Los Angeles, und das ist größer als das Erdbeben. Das spüre ich. Sag mir nicht, dass du es nicht spürst.«
»Ich spüre gar nichts. Und du trittst nicht den Suchenden bei.«
»Doch. Das ist das einzig Richtige.«
»Nein, Parker, du trittst ihnen wirklich nicht bei.«
Er starrte mich einen langen Moment an und versuchte, aus mir schlau zu werden. »Du warst gestern Abend in der Schule. Deshalb war dein Auto nicht da, als ich nach Hause gekommen bin.« Seine Stimme klang monoton. »Was hast du gemacht, Mia?«
Ich erzählte es ihm. Er war nicht gerade begeistert.
Als wir auf dem Parkplatz der Skyline-Highschool ankamen, sprang mein Bruder sofort aus dem Auto und rannte durch die Scharen von Schülern auf die Schule zu.
»Parker, warte!«, rief ich ihm hinterher.
Er drehte sich nicht einmal um.
17
I ch habe euch doch gesagt, sie wird kommen!«, rief Katrina, als ich die Tür zu Raum 317 öffnete. Sie sprach allerdings nicht mit mir, sondern zu dem Raum voller Leute hinter ihr, Leute in
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