Die Ausgelieferten
antikommunistische Bücher veröffentlicht hatte, handelte schnell. Er nahm sofort mit dem Chefredakteur von Svenska Dagbladet Verbindung auf, mit Ivar Anderson also, und teilte ihm mit, was er erfahren hatte. Am Abend rief er auch noch Pastor Allan Svantesson an, den Sekretär des Diakonischen Amts, der während des Krieges ein wichtiger Verbindungsmann zu baltischen Exil-Pastoren gewesen war. Zuvor, am Nachmittag, hatte bei Ministerpräsident Per Albin Hansson im Kanzleihaus eine Parteiführer-Konferenz stattgefunden. Er hatte die anwesenden Parteichefs darüber informiert, dass die Auslieferung unmittelbar bevorstehe, aber auch darauf hingewiesen, dass die Sache geheimgehalten werden müsse, um eine Panik zu vermeiden.
Nun verbreitete sich die Neuigkeit sehr schnell, was nicht zuletzt auf die Aktivität von Scheynius zurückzuführen war.
Svantesson rief am folgenden Tag das Außenamt an, um die Nachricht auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen. Er bekam eine kühle und ablehnende Antwort, aber einige Formulierungen seines Gesprächspartners ließen ihn aufhorchen und überzeugten ihn, dass hinter den Gerüchten ein Körnchen Wahrheit stecken musste. Jetzt galt es nur noch, die Nachricht durch geeignete Kanäle an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen.
Am Morgen des 15. November brachte Svenska Dagbladet einen langen Leitartikel über »Schwedisches Asylrecht«; der Autor sprach in vagen Formulierungen über Flüchtlingsprobleme und Asylrecht, legte aber die Karten nicht auf den Tisch und erwähnte die baltischen Soldaten mit keinem Wort. Im Außenministerium aber rief dieser Artikel einige Bestürzung hervor, die Nachricht schien irgendwie durchgesickert zu sein. Es galt, Zeit zu gewinnen, die in Umlauf befindlichen Gerüchte zu stoppen. Am selben Abend gegen 20 Uhr wurde eine geheime Pressekonferenz einberufen, an der unter anderem Per Albin Hansson sowie die Vertreter der wichtigsten überregionalen Zeitungen teilnahmen. Per Albin erzählte den Anwesenden im Vertrauen und unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit, dass die Auslieferung unmittelbar bevorstehe.
Die Zeitungen waren somit zum Schweigen vergattert. Man konnte erst einmal durchatmen.
Von diesem Augenblick an ist es praktisch unmöglich, die Wege zu verfolgen, auf denen die Nachricht nach außen drang. Man kann nur in groben Zügen die Zusammenhänge skizzieren. Viele Kirchenmänner wussten von dem Beschluss. Es gab auch viele konservative Zeitungen, die über ausgezeichnete Verbindungen zum Außenministerium, zum Verteidigungsstab und zur Kirche verfügten. Weiter: einige der Pfarrer, die im Herbst 1944 aus dem Baltikum geflohen waren, hatten dies nur unter Mitwirkung der schwedischen Kirche und anderer schwedischer Stellen tun können; nach der Flucht hatten sie im Diakonischen Amt Arbeit bekommen, das sehr bald zu einem Zentrum für baltische Flüchtlingsinteressen geworden zu sein schien. Diesem Amt gehörte auch das »deutsche Kirchenbüro« an, hier saß auch Allan Svantesson, der überall über gute Beziehungen verfügte.
Die Frage war nicht, ob die Nachricht bekannt werden würde, sondern wann und wie .
Am 17. November wurde die Nachricht über die Auslieferung von der deutschfreundlichen und seit den Kriegsjahren schwer kompromittierten Zeitung Dagsposten veröffentlicht; man habe sie von »gewöhnlich gut unterrichteter Seite« erhalten. Man habe sich auch ans Außenministerium gewandt, aber nur eine ausweichende Antwort erhalten.
Dagsposten war offensichtlich die falsche Zeitung, um eine Kampagne zu starten. Wenn die Aktion von dort ausginge, würde sie von Anfang an im Zwielicht stehen. Es mussten andere Medien gefunden werden. Am 17. November telefonierte Allan Svantesson, nachdem er mit einigen seiner baltischen Verbindungsleute beratschlagt hatte, mit dem Chefredakteur der Zeitung Västmanlands Läns Tidning . Dieser Mann hieß Anders Yngve Pers; er hatte an der erwähnten Pressekonferenz nicht teilgenommen, er und seine Zeitung waren unabhängig und durch kein Stillhalteabkommen gebunden, ihn würde man gut gebrauchen können.
Svantesson erzählte ihm die ganze Geschichte.
Es waren schon viele hinter der Neuigkeit her. Viele Zeitungen hatten die Witterung aufgenommen. Dagsposten hatte sich am weitesten vorgewagt, aber dann die Spur wieder aufgegeben, vielleicht aus Vorsicht.
Svenska Morgonbladet war kurz vor dem Ziel.
Dieses Blatt war recht klein, es hatte immer mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, die dann
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