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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joelle Charbonneau
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Behutsam, um Tomas nicht aufzuwecken, stehe ich auf, husche zu dem Spalt, spähe hindurch und kann gerade noch vermeiden, laut loszuschreien.
    Das Tier, das dort steht, erscheint mir riesig. Aufgerichtet auf die Hinterläufe, ist es genauso groß wie ich; schwarzgraues Fell bedeckt den größten Teil seines Körpers. Hier und da schimmert ledrige rosafarbene Haut durch. Am meisten schockieren mich jedoch die wie Eisenhaken gebogenen Klauen und die Zähne, die ihm gleich in mehreren Reihen gewachsen sind. Gelb und spitz gähnen sie in seinem breiten, hervorstehenden Maul.
    Ist das eine Art Bär oder ein Wolf? Egal, um welche Spezies es sich handelt, sie ähnelt keinem Tier, das ich jemals gesehen habe. Mein Vater hat mir mal Bilder gezeigt, die er in den Randgebieten einer der Kolonien gemacht hat, in denen er tätig gewesen ist. Es waren Aufnahmen von Tieren, bei denen die gleichen Chemikalien und Strahlen, die auch den Erdboden verseucht haben, zu schweren Mutationen geführt haben. Einige der Tiere hatten zusätzliche Gliedmaßen entwickelt oder ihre Schwänze eingebüßt. Anderen war das Fell ausgefallen, oder ihre Haut war so dick geworden, dass Waffen sie kaum noch durchdringen konnten. Unabhängig von den einzelnen Besonderheiten, waren all diese genveränderten Tiere bösartig geworden. Selbst die kleinsten Nagetiere mit ihren haarlosen Körpern und übergroßen Ohren können unabhängig von ihrer geringen Größe jederzeit auf die Idee verfallen, Menschen anzugreifen. Dieses Tier hier draußen vor der Scheune, ganz gleich was das ist, ist allerdings keineswegs klein. Im Gegenteil: Es ist gigantisch. Wenn es uns angreift, werden wir in ernsthaften Schwierigkeiten stecken.
    Und es wartet da draußen nicht allein. Als der große schwarze Kopf nach rechts schwenkt, sehe ich dahinter noch ein weiteres Tier stehen, das zwar grauer, aber ebenso furchteinflößend aussieht. Es schnüffelt in der Luft. Hat es unsere Witterung aufgenommen? Ich vermute es. Und das bedeutet, dass wir schleunigst von hier verschwinden müssen.
    Ich bin dankbar, dass wir unsere Habseligkeiten schon eingepackt haben, denn wir müssen uns beeilen. Sorgsam darauf bedacht, keinen unnötigen Lärm zu machen, knie ich mich neben Tomas und wecke ihn sanft auf. Kaum hat er die Lider aufgeschlagen, lächelt er mich auch schon liebevoll an, aber die Wärme und Freude auf seinem Gesicht sind wie weggeblasen, als er meine Angst sieht. Seine grauen Augen werden ganz schmal, als ich mich vorbeuge und ihm ins Ohr flüstere: »Da draußen belauern uns mutierte Tiere. Wir müssen sofort weg.«
    Er nickt, und nur Sekunden später steht er zum Aufbruch bereit mit seiner Tasche in der Hand neben mir. Gemeinsam schleichen wir zur anderen Seite der Scheune. Bei jedem Schlurfen unserer Schuhe und jedem Rascheln von trockenem Gras unter unseren Füßen setzt mein Herz einen Schlag aus. Als wir die Tür erreicht haben, flüstert Tomas: »Wir rennen lieber und schieben unsere Räder, bis wir die Straße erreicht haben. Dann fahren wir, okay?«
    Die Scheune liegt vielleicht hundertfünfzig Meter von der Straße entfernt. Gestein, Bäume und Unterholz trennen uns vom ebenen Asphalt. Außerdem führt ein lang gezogener Abhang zur Fahrbahn hinauf. Ich habe keine Ahnung, wie sich die Wölfe oder was auch immer mit ihren Hakenklauen vorwärtsbewegen oder wie schnell sie sind. Vielleicht bemerken sie unsere Flucht auch gar nicht. Und falls doch, sind wir möglicherweise schon zu weit von ihnen entfernt, als dass sie noch die Verfolgung aufnehmen. Wenn aber doch … Nun, ich hoffe, dass die Biester wie Bären trotten. Dann könnten wir eine Chance haben. Wenn sie jedoch schneller sind …
    Entschlossen ziehe ich meine Pistole heraus, hole tief Luft und sage: »In Ordnung. Lass es uns versuchen.«
    Meine Füße trampeln über den harten Erdboden, und meine Hände umklammern die Pistole und die Lenkergriffe, während ich die Augen starr auf die Straße gerichtet halte. Die Reifen des Fahrrads klappern und hüpfen über das unwegsame Gelände, doch ich werfe keinen Blick zurück, um zu prüfen, ob die Tiere etwas bemerkt haben. Das würde mich nur aufhalten. Wenn die Ungeheuer mit den grauenhaften Zähnen die Verfolgung aufgenommen haben, kann ich mir keine Verzögerung leisten. Tomas hingegen sieht sich um. Das verrät mir sein scharf eingesogener Atem und die Art, wie er sich selbst zu noch mehr Tempo antreibt und mir mit gellender Stimme zuruft: »Lauf, Cia! Lauf!«
    Und

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