Die Außenseiter
Desvendapur mit den Antennen hin und her.
»Ihr habt nur vier Gliedmaßen anstatt acht, was viel sinnvoller wäre, und eure vier sind auch noch in ihrer Funktion eingeschränkt.« Er hob die Fußhände vom Boden, um zu demonstrieren, dass ein Thranx sein zweites Gliederpaar nicht nur als Beine, sondern auch als Hände benutzen konnte. »Eure Haut ist ausgesprochen verletzlich, hält nicht einmal dem kleinsten Schnitt oder Stich stand, und ganz gleich, welche Gliedmaßen ihr aneinander reibt, ihr könnt damit keine Musik erzeugen - jedenfalls keine, die die Bezeichnung verdient. Außerdem ist euer Körper noch nicht einmal richtig symmetrisch aufgebaut!«
»Was soll das heißen, nicht symmetrisch?« Mit der rechten Hand wies Cheelo auf seinen Körper. »Zwei Augen, zwei Ohren, zwei Arme und zwei Beine. Was, bitte schön, ist daran unsymmetrisch?«
»Sieh dir doch deine Hände an!« Desvendapur deutete mit dem Kopf auf Cheelos Hände. »Ist die Anzahl eurer Finger durch zwei teilbar? Nein. Ihr müsstet sechs Finger haben - oder vier, wie wir Thranx. Davon abgesehen, reicht eure Asymmetrie noch tiefer.«
»Tiefer?« Cheelo runzelte verwirrt die Stirn, während er sich den Rucksack umhängte.
»Bis hinein in eure erbärmlichen Körper! Wie viele Herzen habt ihr? Nur eins, das noch nicht einmal genau in der Körpermitte sitzt. Das trifft für alle eure großen Organe zu, mit Ausnahme der Lungen, die bei euch symmetrisch sind - aus welcher geheimnisvollen Laune heraus die Natur das auch immer so eingerichtet hat.« Der Thranx strich sich mit der Fußhand den Thorax entlang bis zum Abdomen. »Zwei Herzen, zwei Lebern, zwei Mägen und so weiter. So hat ein guter Körper für eine intelligente Spezies auszusehen, symmetrisch und eindeutig. Dagegen ist euer Körperinneres das reinste Chaos: einzelne, verletzliche Organe, die sich gegenseitig den Platz rauben und an den völlig falschen Stellen sitzen!«
Von der Vielzahl der Argumente fast erschlagen, ja überwältigt von dem Wortschwall des Thranx, konnte Cheelo nur murmeln: »Das bedeutet also, dass ihr Burschen jedes Organ doppelt habt?«
Desvendapur nickte - das war zwar eine Menschengeste, aber er fand sie in dieser Situation recht passend. »Diese Doppelung ist nicht nur höchst ästhetisch, sie macht uns auch langlebiger. Wir Thranx können unbesorgt jedes wichtige Organ einmal verlieren, da das andere die Funktion des ausgefallenen übernimmt und uns am Leben erhält.
Menschen haben diesen Luxus nicht. Jeden Tag eures Lebens müsst ihr euch darum sorgen, dass eure Organe versagen.«
»Wenn du von allen Organen zwei oder mehr hast«, erwiderte Cheelo nachdenklich, während er sich in Bewegung setzte und, gefolgt von dem Thranx, in den Regenwald eintauchte, »und eure Körper kleiner sind als unsere, dann müssen auch eure Innereien kleiner sein - Herzen, Lungen, alles. Unsere Organe sind größer.«
»Besser ein zusätzliches Organ als nur ein einziges großes«, argumentierte Desvendapur.
Sie schlenderten nebeneinander her und diskutierten über die Vorzüge ihrer jeweiligen Anatomie, bis Cheelo plötzlich ein Gedanke kam, der ihn stutzen ließ. »Für einen Koch oder Hilfskoch - oder was immer du bist - weißt du ziemlich viel über uns Menschen.«
Obwohl der Zweifüßer die reflexartigen Gesten des Thranx nicht deuten konnte, versuchte Desvendapur trotzdem, sie zu unterdrücken. »Wie gesagt: Alle Thranx, die für unsere Forschungsexpedition ausgewählt wurden, mussten sich gut vorbereiten.«
»Ja, so was in der Art hast du tatsächlich schon erwähnt.« Cheelo, noch immer misstrauisch, musterte das Rieseninsekt aufmerksam. Der Thranx sandte möglicherweise viele verräterische Körpersignale aus, doch das nutzte Cheelo nichts, da er sie nicht verstand. Die komplexen Kopf- und Handbewegungen des Thranx sagten ihm weniger als die Mätzchen, die die Affen im Blätterdach über ihm machten. Bei artverwandten Primaten konnte er ähnliche Gesten deuten, nicht aber bei einem außerirdischen Rieseninsekt, das daherredete wie ein Dozent.
Der Thranx war im Vorteil. Er hatte sich auf die Begegnung mit Menschen vorbereitet. Cheelo hingegen hat nur die Chance, sich alles zu merken, was er jetzt beobachten konnte. Doch wenn er eines konnte, dann schnell lernen.
»Außerdem«, fügte sein außerirdischer Begleiter noch hinzu, »stinkt ihr.«
»Ich kann mir schon denken, warum sie dich in die Nahrungszubereitung gesteckt haben und nicht ins diplomatische Korps«,
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