Die außergewoehnlichen Geheimnisse von April, May & June
Stirn befühlen, aber ich wich ihr aus. »Nee nee, mir gehtâs gut. War nur ein bisschen kühl, hier so zu sitzen.«
Wir mussten das Thema wechseln. Und zwar umgehend.
»Und, wie ist Chad so?«, erkundigte ich mich. »Ist er romantisch?«
Mom zuckte die Schultern. »Ganz in Ordnung. Er hat das Essen bezahlt, June dürfte also zufrieden sein.«
»April ist davon sicher auch begeistert.«
»Ja, genau. Und was ist mit dir?« Mom beäugte mich kritisch. »Was ist mit dir und Henry?«
»Mooooom«, maulte ich. »Der gibt mir doch nur Nachhilfe.«
»Ach so, klar«, antwortete sie. »Aber halt mich auf dem Laufenden, ja? Mütter brauchen das.«
»Also, mit Chad ist es gut gelaufen?«
Mom sagte einen Moment nichts, und dann grinste sie mich auf eine irgendwie durchtriebene Weise an, die ich an mir gelegentlich auch beobachte. »Bei ihm klebte hier ein Fitzelchen Spinat«, sagte sie und zeigte auf ihre oberen Schneidezähne, »und er hat derart viel geredet, dass ich keine Chance hatte, ihn darauf hinzuweisen.«
Ich prustete los. »Im Ernst?«
Mom musste jetzt auch lachen. »Leider ja.«
Das war definitiv die beste Nachricht seit Tagen.
»Ich geh mal nach oben mich umziehen und bei deinen Schwestern vorbeischauen«, sagte Mom. »Kommst du klar hier unten?«
»Allerbestens«, sagte ich, obwohl ich mich derart anstrengen musste, nicht komplett zu zerfallen, dass ich beinahe fröstelte und die Zähne zusammenbeiÃen musste. Durchhalten, sagte ich mir.
Mom blieb stehen. »Ist mit dir wirklich alles okay? Du wirkst ein bisschen �«
»Erhitzt?«
»Angespannt.«
»Kommt vom vielen Lernen.«
Sie lachte und ging nach oben. Ich blieb sitzen, lauschte auf ihre Schritte, wie sie erst in Junes Zimmer ging, dann zu April und schlieÃlich in ihrem Schlafzimmer verschwand.
Sobald sich ihre Tür geschlossen hatte, schoss ich die Treppe hinauf. Es war total abgefahren, beim Rennen nach unten zu schauen und keine FüÃe zu sehen. So schnell ich konnte, steuerte ich das Badezimmer an und schloss mich dort ein.
Als ich mich umdrehte, konnte ich kein Spiegelbild von mir entdecken.
Keine Ahnung, wie lange ich so im Bad blieb, aber vermutlich eine ganze Weile. Angestrengt versuchte ich, wieder sichtbar zu werden, aber es funktionierte nicht. Frustriert legte ich mich auf den FuÃboden und tat erst mal gar nichts mehr. Wahrscheinlich wäre ich in Tränen ausgebrochen, aber da ich nie weine, lieà ich es auch diesmal bleiben. Heulen ist einfach nicht mein Ding.
Und auÃerdem, wozu heulen, wenn die Tränen eh keiner sehen kann?
Irgendwann begann June an die Tür zu klopfen. »May«, jammerte sie von drauÃen, »ich muss mich jetzt fertig machen zum Schlafengehen.«
Ich reagierte nicht.
»Loooooos schon«, quengelte sie. »Echt mal. Mein Gesicht verlangt nach Reinigung und Feuchtigkeitspflege!«
Und plötzlich war ich wieder vollständig beieinander, und davon abgesehen sauer über die Störung, sauer darüber, dass ich mich nicht unter Kontrolle hatte und überhaupt.
»Oh unvorstellbare Tragödie, wenn Reinigung und Feuchtigkeitspflege mal zu kurz kommen!«, zog ich sie auf und entriegelte die Tür. June schwebte an mir vorbei ins Bad.
»Es ist wichtig, dass man das zu einer täglichen Angewohnheit macht«, klärte sie mich auf und musterte mich eingehend. »Dir könnte das auch nicht schaden. Ist nicht böse gemeint.«
»Schon klar, allerdings halte ich Leute, die derart viel für Kosmetik ausgeben, für ziemlich bescheuert. Auch nicht böse gemeint.«
»Na, dann wünsch ich dir später viel Spaà mit deinen KrähenfüÃen«, zickte sie zurück. »Hat es eigentlich Spaà gemacht, hier rumzuliegen und in Selbstmitleid zu baden?«
»Vorsicht!«, warnte ich sie. »Hör auf mir nachzuspionieren! Ich hab nur â¦Â«
»Ich hab überhaupt nicht spioniert!«, protestierte June. »Ist ja wohl keine Kunst, rauszukriegen, dass du hier im Depriloch gehockt hast.« Sie wickelte ihre Haare zu einem wirren Dutt zusammen und reihte dann ihre Döschen und Tübchen sorgfältig am Waschbeckenrand auf.
Manchmal denke ich, Junes höchstes Lebensziel besteht darin, in einer Neutrogena-Werbung aufzutreten.
»Und weiÃt du, was noch?« Sie schnatterte weiter, ohne eine Antwort von
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