Die Bärenkralle: Thriller (German Edition)
geschlafen hast. Hast dich seufzend hin- und hergewälzt. Sicher weil dich dein schlechtes Gewissen geplagt hat. Das würde dir ähnlich sehen. Die Zeitungen schreiben viel über die Frau, die im Frognerpark gefunden wurde. Ich kann mir dein Gesicht vorstellen, als du gehört hast, um wen es sich handelt. Die dunkle Ahnung, die dir keine Ruhe lässt. Und du weißt immer noch nicht, worum es hier geht. In der Ferne hörst du ein Geräusch und bemerkst, wie es langsam näher kommt. Du bist eine gute Zuhörerin. Das macht das, was du getan hast, umso schlimmer. Aber es lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Was ich damals getan habe, lässt sich auch nicht mehr ändern. Doch jetzt habe ich etwas getan, das viel schlimmer ist, also spielt es keine Rolle mehr. Sie war ganz anders als die Erste. Es dauerte eine Weile, bis sie Angst bekam. Sie wirkte ziemlich gleichgültig, als sie aufwachte und gefesselt war. Sie hat mich gefragt, was ich von ihr will. Ich habe es ihr gleich gesagt. Sie hat mir nicht geglaubt und wollte sich über mich lustig machen. Doch als ich ihr schließlich gezeigt habe, was mit ihr geschehen wird, ist sie genauso zusammengebrochen wie die Erste. Überall lief es aus ihr heraus. Sie heulte und schrie. Ich habe sie einfach in Ruhe gelassen, bis sie nicht mehr konnte. Dann habe ich ihr gesagt, wann es passieren würde, damit sie genau wusste, wie viel Zeit ihr noch blieb. Wenn du dies hörst, habe ich dasselbe zu dir gesagt. Wie viele Stunden und Minuten es noch dauern wird. Die ganze erste Nacht hindurch lag ich neben ihr. Habe ihr die stinkenden Kleider ausgezogen. Habe sie aber nicht angerührt. Lag einfach neben ihr und döste vor mich hin. Habe sie zwischendurch angesehen. Hatte sie in eine Wolldecke gewickelt, damit sie nicht fror. Wasser hat sie auch bekommen. Essen wollte sie nicht. Als ich neben ihr lag, wurde sie ruhiger. Begann zu erzählen. Dass sie krank sei und operiert werden müsse. Dass sie ein Kind habe. Eine achtjährige Tochter, die sich nicht traute, alleine zu schlafen. Sie hat mich gefragt, ob ich sie nicht freilassen könnte, dann könnte sie nach Hause fahren und ihre Tochter zudecken, die voller Angst in ihrem Bett lag. Eine Weile ließ ich sie das glauben. Wischte ihr mit einem feuchten Lappen den Mund ab und strich ihr über die Wange. Als ihr klarwurde, dass ich sie anlog, fing sie wieder an zu heulen. Aber sie war nicht wütend. Ich konnte mit dem Gesicht ganz nah an ihrem Hals liegen. Sie wollte es so. Ich habe zwei Mal getötet. Aber du bist noch nicht dran. Die Nächste habe ich mir schon ausgesucht. Der Tag steht fest. Ich weiß auch schon, wie ich sie fortschaffe und wo sie gefunden wird. Du wirst sie finden. Aber ich werde nicht jedes Detail planen. Ich mag es nicht, wenn alles im Voraus feststeht. Der Zufall muss seine Chance bekommen. Es kann schiefgehen. Und wenn sie mich schnappen, bist du gerettet.
TEIL III
33
Donnerstag, 18. Oktober
N ina Jebsen war gegen halb acht im Büro. Sie wollte vor der allmorgendlichen Besprechung noch ein paar Zeugen anrufen. Darunter befand sich ein ehemaliger Nachrichtensprecher von NRK, der zu den Personen gehörte, die am Tag von Hilde Paulsens Verschwinden auf dem Weg zum Ullevålseter gesehen worden waren.
Doch auch dieses Mal konnte sie den Fernseh-Promi nicht erreichen. Eine Sekretärin des Unternehmens, für das er jetzt arbeitete, teilte ihr mit, dass er derzeit Urlaub in Tansania mache. Am Tag zuvor hatte Nina allerdings eine ganz andere Erklärung für die Abwesenheit des Mannes erhalten. Nicht dass sie das überrascht hätte. Dieser Mann gehörte einer exklusiven Gruppe von Menschen an, die sich das Recht und die Möglichkeit geschaffen hatten, unerreichbar zu sein.
Bei dem Ausflug nach Åsnes am gestrigen Tag war nicht viel herausgekommen, doch Viken konnte jederzeit nach unbedeutenden Details fragen und ziemlich unangenehm werden, wenn sie schlecht vorbereitet war. Sie konnte ja von ihrem Gespräch mit dem mürrischen alten Weib erzählen, das ebenso ungenießbar war wie ihr Kaffee. Bevor sie den Bericht über ihre Ermittlungen in Reinkollen abschloss, warf sie noch einen Blick in das Strafregister und gab als Suchwort »Åheim« ein. Das ergab zwei Treffer. Der eine verwies auf einen Mann namens Roger Åheim, Hofbesitzer und Inhaber einer Esso-Tankstelle in Åmoen, Gemeinde Åsnes. An dieser Tankstelle hatte sie sich nach dem Weg erkundigt. Mit Grauen erinnerte sie sich an den jungen Skin hinter der
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