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Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ballade vom Fetzer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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oder er zahlte nur einen niedrigen Preis. Aus diesem Grund erzählten ihm die Räuber, sie hätten die Stücke in der Gegend von Jülich erbeutet. Arglos kaufte David ihnen die Figur des Heiligen Quirinus und die silberne Weltkugel für vierhundert Reichstaler ab. Am folgenden Abend waren die drei wieder in Neuß und teilten den Erlös mit den Kameraden.
    Overtüsch, der auf eigene Faust in Düsseldorf bei einem Kaffeehändler eingebrochen war, hatte von dem Raub gehört. Er kam in den ›Schwarzen Bären‹ und überredete Mathias, noch einmal den gleichen Überfall zu wagen, um den Rest zu holen. Also stiegen die Männer wieder, mit Hilfe ihres Verbündeten Humbroich, der eine dicke Beule auf dem Hinterkopf hatte, ins Rathaus ein. Im Schein von zwei Laternen nahmen sie alles mit, was ihnen wertvoll erschien. Beim ersten Morgengrauen verließen die Diebe ungefährdet durch verschiedene Tore die Stadt.
    Die Überfälle auf das Rathaus empörten die Neußer Stadtverwaltung. Der Polizeikommissar schickte einen Boten zu dem französischen Stadtpräfekten, doch dem war der Raub des Stadtsilbers fast gleichgültig. Er stellte nur zehn Soldaten für die Verfolgung der Diebe zur Verfügung. Der Polizeikommissar bat den Stadtoffizier der Bürgerwehr zu sich. »Sie müssen zwanzig mutige Männer aufstellen. Sonst erwischen wir diese Banditen nicht.«
    Der Stadtoffizier schüttelte den Kopf. »Ich kann höchstens fünfzehn Nachtwächter oder Lohnsoldaten bekommen.«
    Der Polizeikommissar lief rot an. »Warum zum Teufel? Alle Männer über zwanzig müssen ihre Pflicht in der Stadtwehr ausüben!«
    »Die Bürger lassen sich lieber für zwei Stuber täglich von einem Nachtwächter vertreten, als dass sie selbst Wache stehen. Die armen Bürger haben keine Flinten, und wir können nicht mit Hacken und Stangen auf Verbrecherjagd gehen.«
    »Was ist mit den jungen Burschen der reichen Bürgerschaft?«
    Der Stadtoffizier lachte verächtlich: »Die schießen gerne und prahlen vor ihren Mädchen, aber wenn es gefährlich wird, bleiben sie lieber zu Hause.«
    Der Polizeikommissar schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch. »So werden wir die Räuber nie einfangen. Ach, wären wir noch bei den Preußen, dann hätten wir Zucht und Ordnung!«
    Der Stadtoffizier stellte einen Trupp zusammen. Nach zwei Tagen hatte er vierzehn Männer verpflichtet. Die Nachtwächter und Lohnsoldaten verlangten sofort einen Vorschuss für zwei Tage.
    Die zehn französischen Soldaten waren nicht bereit, sich unter das Kommando des Neußer Stadtoffiziers zu stellen. Sie kontrollierten die Gasthäuser der Umgebung. Wenn das Wetter schlecht war, blieben sie schon im ersten Schankraum sitzen und kehrten erst am Abend betrunken in ihre Quartiere zurück.
    Der Sondertrupp der Bürgerwehr teilte sich in vier Gruppen auf. Jede hatte die Aufgabe, in den umliegenden Bauernhöfen nach den Räubern zu suchen. Aber den Männern war es zu gefährlich, weitab von der Fahrstraße an ein einsam gelegenes Haus zu pochen. Sie machten es den französischen Soldaten nach und blieben dicht bei der Stadt im ersten Wirtshaus, das sie fanden.
    Mathias, Heckmann, Overtüsch und die Kumpane waren nicht in die Neußer Furt zurückgekehrt. Sie verbargen sich zwei Wochen lang in Schlupfwinkeln. Sie hurten, tranken und lachten über den gelungenen Einbruch. Sie prosteten Mathias zu und tranken auf seine Geschicklichkeit.
    Nach fünfzehn Tagen näherten sich die Räuber wieder ein gutes Stück ihrem Hauptsitz in der Neußer Furt. Sie zogen in eine Herberge an der Straße nach Kempen. Hier verkehrten Landstreicher, Räuber, kleine Pferdediebe und Scherenschleifer.
    In der ersten Nacht verließ Mathias die Kumpane. Er lieh sich ein Pferd und ritt zum ›Schwan‹. Gertrud freute sich, als er kam. Doch er begrüßte sie kaum, er kniete sich an das kleine Bett seiner Tochter und betrachtete sie. Das Kind schlief fest. »Schön ist sie, meine Ursula«, flüsterte Mathias und lächelte. Dann sah er den schmutzigen Bezug des Kissens, sprang jähzornig auf und riss Gertrud an den Schultern zu sich heran. »Versorg das Kind gut! Sonst …«, er sah sie wütend an. In ihrer Angst stammelte sie, sie habe kein Geld mehr. Mathias ließ sie los und gab ihr zwanzig Reichstaler. »Ursula soll aussehen wie eine Prinzessin!«
    Dann gab er Gertrud die Schlösser, die er bei dem Raub im Rathaus eingesteckt hatte. Sie warf sie in den Sack zu den anderen.

Oktober – November 1796
    Die Räuber blieben noch drei

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