Die Bedrohung
verschüttet gewesen. Er hatte drei seiner Mitstreiter bei dem Angriff verloren. Ihre staubigen verstümmelten Körper hatten sich unauslöschlich in sein Gedächtnis gebrannt. Nachdem er nun auch bei dem Angriff in Isfahan so knapp dem Tod entronnen war, hatte er beschlossen, dass er nie wieder einen Fuß in einen Bunker setzen würde. Den nächsten Angriff würde er über der Erde zu überleben versuchen.
Abbas kam etwas näher heran und zog ein weißes Taschentuch aus der Gesäßtasche. Er begann heftig damit zu winken, dann hielt er beide Fäuste hoch, um Mukhtar mitzuteilen, dass Kennedy im zweiten Suburban saß. Es war das Signal, auf das sie gewartet hatten. Mukhtar wandte sich den vierzehn Männern zu, die hinter ihm im Geschäftslokal standen.
»Sie kommen. Setzt die Kapuzen auf.« Der libanesische Terrorist zog sein Handy hervor und drückte auf die Gesprächstaste. Nach dreimaligem Klingeln meldete sich eine beflissene Stimme. Mukhtar sagte: »Es ist Zeit.« Er wartete nicht auf eine Antwort. Er ließ das Handy fallen und zog seine Makarow-Pistole. Die Waffe, mit der er, wie er seinen Männern versichert hatte, jeden Einzelnen von ihnen erschießen würde, wenn sie sich nicht diszipliniert an ihre Vorgaben hielten.
38
Das orange-weiße Taxi fuhr schon fast eine Stunde am Südrand der Altstadt entlang. Ein Mann saß auf dem Rücksitz, der andere lenkte den Wagen. Sie hielten einmal an, um einen Kaffee zu trinken, und ein zweites Mal an einem Zeitungsstand. Nachdem sie fünfzig Minuten patrouilliert hatten, fuhren sie weiter Richtung Süden. Sie hatten ihre Angriffspositionen am Tag zuvor ausgesucht. Beide Plätze lagen nicht einmal drei Kilometer vom Haupttor des Stützpunkts entfernt, was besonders wichtig war. Sahar und Ziba waren Soldaten der iranischen Revolutionsgarden, die nun der Quds-Einheit angegliedert waren. Die kleine Zelle, der sie angehörten, war auf Mörserangriffe spezialisiert. Die beiden waren erst seit fünf Monaten im Irak, doch sie waren schon bestens mit der Umgebung vertraut.
Als sie den letzten Anruf erhielten, waren sie nur drei Blocks von ihrer ersten markierten Angriffsposition entfernt. Das kleine Auto brauste über die mit Müll übersäte Straße und hielt bei einem heruntergekommenen Lagerhaus an. Beide Männer sprangen aus dem Wagen. Der Motor lief weiter, während sie den Kofferraum öffneten. Sahar, der Kräftigere der beiden, packte einen M224-60-mm-Mörser. Zusammengebaut wog die Waffe etwa zwanzig Kilo. Er stellte die Standplatte genau in die Mitte des Kreises, den er am Vorabend mit Kreide auf den Asphalt gemalt hatte. Dann stellte er das Zweibein so auf, dass es genau auf den beiden Markierungen stand. Die Elevation war bereits eingestellt. Sahar trat von dem Mörser weg und lief auf dem Weg zum Kofferraum an Ziba vorbei, der mit einer Granate in der Hand zum Abschussrohr lief.
Sahar streifte schwere Lederhandschuhe über und packte selbst zwei der Geschosse. Sie hatten das schon Dutzende Male gemacht, doch den Hauptstützpunkt hatten sie erst ein Mal angegriffen, und das war schon einige Monate her. Dabei hatten sie mit dem hoch entwickelten Artillerieaufklärungsradar der Amerikaner Bekanntschaft gemacht. Eine ihrer ersten Missionen war ein Angriff auf die Hauptrollbahn, als ein Frachtflugzeug landete. Sie stellten den Mörser auf, holten eine Granate und steckten sie in das Abschussrohr. Im nächsten Augenblick schoss sie hervor, und die beiden Männer standen da und warteten auf die Explosion. Sie kam wenige Sekunden später, und die beiden Soldaten klatschten in die Hände und lachten vor Freude. Sahar wollte schon eine zweite Granate laden, als sie das Pfeifen einer herannahenden Artilleriegranate hörten. Was ihnen das Leben rettete, war eine Abwassergrube, die sie gerade noch erreichten, bevor die erste von sechs Granaten an ihrem Standort einschlug. Das Auto wurde völlig zerstört. Sahar hatte überlebt und daraus gelernt.
An diesem Tag gingen Sahar und Ziba nicht sehr begeistert ans Werk. Der Mann von Hisbollah hatte ihnen gesagt, was er von ihnen erwartete, und es war einfach zu viel. Sechs Mörsergranaten aus einem Abschussrohr, das würde fast zwanzig Sekunden in Anspruch nehmen. Mehr als genug für die Amerikaner, um zurückzufeuern – und das mit Granaten, die um einiges größer waren als jene, mit denen sie selbst angriffen. Sie wiesen darauf hin, dass der Plan nicht funktionieren konnte, und er stellte sofort ihre Kampfbereitschaft infrage.
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