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Die Berufung

Titel: Die Berufung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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würde den Rest übernehmen und zumindest dem Namen nach Cheftrainer werden. Ein dritter Vater sollte die Trainings organisieren.
    Es war der Morgen des ersten Samstags im April. In ganz Mississippi war es unangenehm frisch. Nervöse Spieler, Eltern und vor allem Trainer trafen sich zum Saisonauftakt im örtlichen Baseballstadion. Die Neun- und Zehnjährigen wurden zu einem Feld geschickt, die Elf- und Zwölfjährigen zu einem anderen. Alle Spieler mussten beurteilt, eingestuft und für die Liga-Auswahl zum Draft-Verfahren gemeldet werden.
    Die Trainer trafen sich zur Besprechung hinter dem Homeplate. Wie üblich redeten alle aus Nervosität besonders viel, wechselten flapsige Bemerkungen und rempelten sich freundschaftlich an. Die meisten von ihnen waren im Vorjahr in derselben Liga Trainer gewesen. Ron war damals ein beliebter Trainer, ein junger Vater wie alle anderen, der von April bis Juli viele Stunden auf dem Spielfeld verbrachte. Diesmal hatte er eine gewisse Sonderstellung. Er hatte einen brillanten Wahlkampf hingelegt und ein wichtiges politisches Amt mit einem Rekordergebnis gewonnen. Das machte ihn zum Ersten unter Gleichen. Immerhin gab es in Brookhaven nur einen Richter am Supreme Court. Es war eine gewisse Distanz entstanden, die ihm nicht besonders zusagte, obwohl er nicht recht wusste, ob sie ihm missfiel.
    Man nannte ihn bereits »Richter«.
    Richter Fisk zog einen Namen aus dem Hut. Sein Team waren die Rockies.
    An den Samstagen hielt es die Paytons nicht mehr in der engen Wohnung, in der sie die ganze Woche verbrachten. Sie lockten Mack und Liza mit der Aussicht auf ein Pfannkuchenfrühstück in einem Restaurant in der Nähe aus dem Bett. Danach fuhren sie nach Bowmore, wo sie noch vor zehn Uhr eintrafen. Mrs Shelby, die Mutter von Mary Grace, hatte ihnen ein ausgiebiges Mittagessen im Schatten einer Eiche versprochen: Catfish und selbst gemachte Eiscreme zum Nachtisch. Mr Shelby hatte das Boot fertig gemacht und fuhr mit Wes und den Kindern an einen kleinen See, wo die Barsche fleißig bissen.
    Mary Grace und ihre Mutter saßen eine Stunde lang auf der Veranda und plauderten über die üblichen Themen, wobei sie alle Rechtsfragen tunlichst vermieden. Neues von der Familie, Kirchenklatsch, Hochzeiten, Beerdigungen, aber kein Wort über Krebserkrankungen, die jahrelang in Cary County das beherrschende Thema gewesen waren.
    Lange vor dem Mittagessen fuhr Mary Grace in die Stadt, nach Pine Grove, wo sie sich mit Denny Ott traf. Sie sagte ihm, wie sie den neuen Supreme Court einschätzte - eine ziemlich traurige Geschichte. Nicht zum ersten Mal wies sie ihn daraufhin, dass sie wahrscheinlich verlieren würden. Er bereitete seine Leute darauf vor und wusste, dass sie auch das durchstehen würden, nachdem sie bereits alles andere verloren hatten.
    Dann fuhr sie zwei Blocks weiter und parkte auf dem Kiesweg vor Jeannettes Trailer. Die beiden Frauen setzten sich draußen in den Schatten eines Baumes, tranken Mineralwasser und redeten über Männer. Jeannette hatte einen neuen Freund, einen fünfundfunfzigjährigen Witwer mit einer guten Stelle und einem schönen Haus, der sich nicht weiter für ihren Prozess interessierte. Überhaupt beschäftigte das Verfahren die Gemüter nicht mehr so wie früher. Seit dem Urteil waren siebzehn Monate vergangen. In dieser Zeit war nicht ein Cent geflossen, und inzwischen rechnete auch keiner mehr damit.
    »Wir erwarten noch in diesem Monat eine Entscheidung«, sagte Mary Grace. »Es wäre ein Wunder, wenn wir gewinnen würden.«
    »Ich bete für ein Wunder«, erwiderte Jeannette, »aber ich bin für alles bereit. Ich will nur, dass es endlich vorbei ist.«
    Nach einem langen Gespräch verabschiedete sich Mary Grace mit einer flüchtigen Umarmung. Sie fuhr durch die Straßen ihrer Heimatstadt, vorbei an der Highschool, den Häusern ihrer Schulfreunde und den Geschäften an der Hauptstraße. Außerhalb der Stadt hielt sie an Treadway's Grocery, wo sie eine Limo erstand und eine Dame begrüßte, die sie ihr ganzes Leben lang gekannt hatte.
    Auf dem Rückweg zum Haus ihrer Eltern kam sie an der Station der freiwilligen Feuerwehr von Barrysville vorbei. Sie war in einem kleinen Metallgebäude mit einer alten Feuerlöschpumpe stationiert, die an Wahltagen von den Freiwilligen nach draußen gefahren und gewaschen wurde. Die Station wurde auch als Wahllokal genutzt, wo vor fünf Monaten vierundsiebzig Prozent der anständigen Bürger von Barrysville für Gott und Waffen und

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