Die Berufung
Sekunde zu überlegen, warf Babe zwei Weißbrotscheiben auf die Grillplatte. »Jetzt sind sie in Berufung gegangen, und ich bete jeden Abend, dass die Paytons gewinnen. Die Anwälte sind auch schon wieder da, schnüffeln hier herum und suchen nach noch mehr Opfern. Schon mal von Clyde Hardin gehört?«
»Bin ihm nie begegnet.«
»Er hat sieben Häuser weiter seine Kanzlei, schon seit Urzeiten. Ist ein Mitglied von meinem Frühstücksklub. Jeden Morgen um halb neun sind sie alle da, die Angeber. Er ist okay, aber seine Frau ist eine echte Schreckschraube. Mr Hardin hat Angst vor dem Gerichtssaal, deshalb hat er sich an ein paar Winkeladvokaten aus Philadelphia drangehängt. Die haben eine Sammelklage eingereicht, im Namen von ein paar Hungerleidern, die wahrscheinlich immer dort sind, wo was umsonst verteilt wird. Es gibt Gerüchte, dass einige von ihren sogenannten Opfern gar nicht hier leben. Denen geht's nur ums Geld.« Sie pellte zwei Scheiben Cheddarschmelzkäse aus der Folie und legte sie auf das heiße Brot. »Mayonnaise?«
»Nein, danke.«
»Wie war's mit ein paar Pommes?«
»Nein.«
»Jedenfalls ist jetzt die Stadt zerstrittener denn je. Die wirklich Kranken sind sauer auf diejenigen, die nur so tun als ob. Schon komisch, was Geld aus manchen Menschen macht. Halten die Hand auf, wo es nur geht. Manche von den Anwälten meinen, Krane wird irgendwann aufgeben, sich vergleichen und satte Entschädigungen zahlen. Dann wären die Kläger reich und die Anwälte noch reicher. Andere dagegen sind überzeugt, dass Krane niemals irgendeine Schuld zugeben wird. Haben sie bis jetzt auch nicht getan. Vor sechs Jahren, als hier alle Welt davon sprach, Krane zu verklagen, haben sie einfach eines Samstags ihre Sachen gepackt und sind nach Mexiko abgehauen. Da dürfen sie bestimmt ungehindert die Gegend verseuchen und Giftmüll abladen, so viel sie wollen. Wahrscheinlich sterben die Mexikaner gerade wie die Fliegen. Was diese Firma getan hat, ist kriminell. Die haben diese Stadt auf dem Gewissen.«
Als das Brot fast schwarz war, klappte sie es zu einem Sandwich zusammen, schnitt es in der Mitte durch und servierte es, dekoriert mit einer halbierten Dillgurke.
»Was wurde aus den Mitarbeitern?«
»Die waren natürlich die Dummen. Viele von ihnen mussten wegziehen und anderswo neue Arbeit suchen. Hier gibt's nicht viele Jobs. Manche waren nett, manche wussten über alles Bescheid, hielten aber den Mund. Wenn sie geredet hätten, wären sie ihre Stelle schon viel früher los gewesen. Ein paar davon hat Mary Grace aufgestöbert und in den Zeugenstand geholt. Manche haben die Wahrheit gesagt. Andere haben gelogen, und die hat Mary Grace in der Luft zerrissen, nach allem, was ich gehört habe. Ich war selbst nie dabei im Gerichtssaal, aber ich habe fast jeden Tag gehört, was dort los war. Die ganze Stadt war in Aufruhr. Da gab es einen Typ, der hieß Earl Crouch, der hat das Werk viele Jahre geleitet. Hat immer schwarze Zahlen geschrieben, und angeblich hat die Firma ihm eine satte Abfindung gezahlt, ehe sie sich aus dem Staub gemacht hat. Crouch wusste alles über den Giftmüll, aber bei der eidlichen Vernehmung hat er alles abgestritten. Hat gelogen, dass sich die Balken bogen. Das war vor zwei Jahren. Anschließend ist er angeblich unter mysteriösen Umständen verschwunden. Mary Grace wollte, dass er vor Gericht als Zeuge aussagt, aber sie hat ihn nicht gefunden. Er ist weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Nicht mal Krane hat ihn aufgestöbert.«
Sie ließ dieses Informationsbonbon einen Augenblick im Raum schweben, um bei den beiden Chevrolet-Mechanikern vorbeizuschauen. Sheila biss in ihr Sandwich und heuchelte mildes Desinteresse an der ganzen Geschichte.
»Wie ist das Sandwich?«, erkundigte sich Babe, als sie zurück war.
»Wunderbar.« Sheila nahm einen Schluck Wasser und wartete auf die Fortsetzung der Geschichte. Babe beugte sich näher zu ihr und senkte ihre Stimme.
»In Pine Grove drüben wohnt eine Familie, die Stones. Eine ganz schön krasse Bande. Ständig hinter Gittern wegen Autodiebstahl und solchen Sachen. Nicht die Sorte Leute, mit denen man Streit sucht. Vor vier, fünf Jahren bekam einer der Jungs Krebs und starb bald darauf. Sie heuerten die Paytons an, und ihre Klage ist immer noch anhängig. Nach dem, was ich gehört habe, sollen die Stones diesen Mr Crouch irgendwo in Texas aufgestöbert und kurzen Prozess mit ihm gemacht haben. Ist nur ein Gerücht, und die Leute hier reden nicht darüber.
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