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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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Ausschau. Vom Erdboden aus wirkt es viel größer als aus luftiger Höhe. Ich deute in die Richtung. Christina nickt und geht voran.
    Plötzlich ertönt ein vielstimmiges Geschrei, und zwar so laut, dass ich einen Satz mache. Farbkugeln schwirren zischend durch die Luft und treffen ihr Ziel. Unsere Leute haben den Angriff gestartet, die gegnerische Mannschaft stellt sich ihnen entgegen, und die Fahne ist so gut wie unbewacht. Uriah zielt und schießt auf die letzte verbliebene Wache und trifft sie in den Oberschenkel. Der Wachposten, ein zierliches Mädchen mit violett gefärbten Haaren, wirft das Gewehr voller Wut auf den Boden.
    Ich beeile mich, um an Christinas Seite zu gelangen. Die Fahne hängt an einem Ast hoch über meinem Kopf. Ich strecke mich und im selben Moment greift Christina danach.
    » Lass gut sein, Tris«, sagt sie. » Du bist doch schon die Heldin des Tages. Du weißt genau, dass du zu klein bist, um sie runterzuholen.«
    Sie sagt es mit einem gönnerhaften Blick, so wie Erwachsene manchmal auf Kinder herabschauen, die sich besonders altklug benehmen, und dann holt sie die Fahne vom Ast. Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, dreht sie sich um und stößt einen Siegesschrei aus. Auch Uriah fällt in den Jubel ein, dann stimmen die anderen vier mit ein, und aus der Ferne antwortet die zweite Gruppe unseres Teams mit Triumphgeheule.
    Uriah klopft mir auf die Schulter und ich versuche nicht mehr an Christinas abschätzigen Blick zu denken. Vielleicht hat sie ja recht. Ich habe mich heute schon bewährt. Ich will nicht machtgierig sein, will nicht so sein wie Eric, der sich vor der Stärke anderer Menschen fürchtet.
    Die Siegesschreie wirken ansteckend, also mache ich mit und laufe zu meinen Mannschaftskameraden. Christina schwenkt die Flagge hoch in der Luft, alle versammeln sich um sie, packen ihren Arm, damit sie die Fahne noch höher halten kann. Ich reiche nicht so hoch hinauf, deshalb bleibe ich grinsend neben ihnen stehen.
    Eine Hand legt sich auf meine Schulter.
    » Gut gemacht«, sagt Four leise.
    » Ich kann nicht glauben, dass ich das verpasst habe!«, sagt Will immer wieder kopfschüttelnd. Der Wind, der zur Zugtür hereinpfeift, bläst seine Haare in alle Richtungen.
    » Du hast die überaus wichtige Rolle gespielt, uns nicht in die Quere zu kommen«, spottet Christina, strahlend vor Freude.
    Al brummt unzufrieden. » Warum musste ich ausgerechnet in der anderen Mannschaft sein?«
    » Weil es im Leben nicht gerecht zugeht, Albert. Und weil sich die ganze Welt gegen dich verschworen hat«, sagt Will. » Hey, darf ich die Fahne noch mal sehen?«
    Peter, Molly und Drew sitzen den älteren Ferox gegenüber in einer Ecke. Brust und Rücken sind mit roter und blauer Farbe verschmiert und sie machen einen ziemlich niedergeschlagenen Eindruck. Sie unterhalten sich leise, werfen verstohlene Blicke auf uns, besonders auf Christina. Das ist das Gute daran, dass ich die Fahne nicht in der Hand halte– niemand hat es auf mich abgesehen. Jedenfalls nicht mehr als sonst.
    » So, so, und du bist also am Riesenrad hochgeklettert, ja?«, fragt Uriah. Er stapft durch den Waggon und setzt sich mir gegenüber. Marlene, das Mädchen mit dem koketten Lächeln, folgt ihm.
    » Stimmt«, sage ich knapp.
    » Ziemlich clever von dir«, sagt Marlene. » Um nicht zu sagen, fast so schlau wie eine Ken. Ich heiße übrigens Marlene.«
    » Tris«, sage ich. Zu Hause wäre es eine Beleidigung gewesen, wenn man mich mit einer Ken verglichen hätte, aber so, wie Marlene es sagt, klingt es wie ein Kompliment.
    » Ja, ich weiß, wer du bist«, sagt sie. » Du bist als Erste gesprungen. So jemanden vergisst man nicht.«
    Es kommt mir vor, als seien schon Jahre, ach was, Jahrzehnte vergangen, seit ich in den Kleidern einer Altruan vom Hausdach gesprungen bin.
    Uriah nimmt eine von den Farbkugeln aus seinem Gewehr und drückt mit Daumen und Zeigefinger darauf. Der Zug schlingert nach links und Uriah fällt auf mich. Dabei zerquetscht er die Farbkugel und sprüht mir eine pinkfarbene, ekelhaft stinkende Farbe ins Gesicht.
    Marlene prustet los. Ich wische mir langsam etwas von der Farbe aus dem Gesicht und schmiere sie auf Uriahs Wange. Der Geruch nach Fischöl macht sich im ganzen Wagen breit.
    » Iiih!« Er drückt wieder auf die Farbkugel, aber die Öffnung ist auf der falschen Seite, daher sprüht er sich die Farbe selbst in den Mund. Er fängt an zu husten und würgt und tut so, als ob er am Ersticken wäre. Ich

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