Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung
fragt Will leise.
Ich schaue an ihm vorbei zu einem Tisch hinter uns. Peter sitzt da, er isst eine Scheibe Toast und unterhält sich flüsternd mit Molly. Ich umklammere die Tischkante. Ich möchte ihm am liebsten eine reinhauen. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür.
Schadenfreude breitet sich in mir aus. Drew ist nicht da, das heißt, er liegt immer noch auf der Krankenstation. » Peter, Drew…«, antworte ich leise. Ich presse eine Hand gegen meine Rippen, während ich mit der anderen über den Tisch lange und mir eine Scheibe Toast nehme. Die Bewegung tut höllisch weh, aber ich übertreibe sogar noch ein bisschen und krümme mich vor Schmerzen. » Und…« Ich schlucke. » Und Al.«
» Oh nein«, sagt Christina mit weit aufgerissenen Augen.
Quer durch den Speisesaal blickt Peter mich an und ich muss mich dazu zwingen wegzuschauen. Es macht mich ganz krank, ihm vorzuführen, dass er mir Angst einjagt, aber ich muss es tun. Four hat recht. Ich muss alles tun, damit sie mich nicht wieder angreifen.
» Alles in Ordnung mit dir?«, fragt Uriah.
» Nicht wirklich«, antworte ich.
Meine Augen brennen, aber diesmal ist es nicht gespielt wie gerade eben. Ich zucke die Schultern. Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass Tori mit ihrer Warnung recht hat. Wenn Peter, Drew und Al mich aus purem Neid in die Schlucht geworfen hätten– weshalb sollten dann nicht auch die Anführer der Ferox imstande sein, einen Mord zu begehen?
Es fällt mir schwer, mich zu verstellen. Ich fühle mich fast so, als steckte ich in der Haut eines anderen. Doch wenn ich nicht aufpasse, ende ich als Leiche. Und ich kann nicht einmal den Anführern meiner Fraktion trauen. Meiner neuen Familie.
» Aber du bist doch nur…« Uriah schürzt die Lippen. » Das ist nicht fair. Drei gegen einen?«
Christina schnaubt. » Ja, Peter war schon immer ein Ausbund an Fairness. Deshalb hat er ja auch Edward im Schlaf überrumpelt und ihm ein Auge ausgestochen.« Sie schüttelt den Kopf. » Aber jemand wie Al? Bist du dir sicher, Tris?«
Ich blicke auf meinen Teller. Ich bin die Nächste, der es so ergehen könnte wie Edward. Aber anders als er werde ich meinen Platz nicht räumen.
» Ja«, sage ich fest. » Ich bin mir sicher.«
» Das hat er aus purer Verzweiflung getan«, meint Will. » Er hat sich benommen… ich weiß nicht. Als wäre er ein anderer Mensch. Seit der zweiten Phase der Initiation ist er nicht mehr er selbst.«
In diesem Moment kommt Drew in den Speisesaal geschlurft. Ich lasse meinen Toast fallen und starre ihn mit offenem Mund an.
Ihn als » verschrammt« zu bezeichnen, wäre eine glatte Untertreibung. Sein Gesicht ist geschwollen und blutunterlaufen, seine Lippe ist aufgerissen und über seiner Augenbraue sehe ich eine Platzwunde. Auf dem Weg zu seinem Tisch blickt er nicht auf, ja er hebt den Kopf nicht einmal, um zu mir herzuschauen.
Ich erhasche Fours Blick. Er lächelt so zufrieden, wie ich es gerne täte.
» Hast du das etwa gemacht?«, zischelt Will.
» Nein. Jemand– ich habe nicht gesehen, wer es war– hat mich gefunden, ehe ich…« Ich schlucke. Wenn ich es laut sage, wird es noch schlimmer, noch wirklicher. » …ehe sie mich in die Schlucht werfen konnten.«
» Sie wollten dich umbringen?«, fragt Christina leise.
» Vielleicht. Vielleicht wollten sie mich einfach nur über dem Abgrund hängen lassen, um mir Angst zu machen.« Ich ziehe die Schulter hoch. » Jedenfalls hat es funktioniert.«
Christina sieht mich mitleidig an und Will schaut starr vor sich hin.
» Wir müssen etwas dagegen unternehmen«, sagt Uriah leise.
» Was denn? Sollen wir sie vielleicht verprügeln?« Christina grinst. » Sieht so aus, als hätte das schon jemand erledigt.«
» Nein. Das sind nur Schmerzen, und die vergehen«, antwortet Uriah. » Wir müssen sie aus den Bewertungen hinausdrängen. Dann ist ihre Zukunft ruiniert, und zwar für alle Zeiten.«
Four steht auf und stellt sich zwischen die Tische. Sofort verstummen die Gespräche.
» Alle Fraktionswechsler mal herhören. Heute werden wir etwas Besonderes machen«, sagt er. » Folgt mir.«
Wir stehen von den Tischen auf. Uriah runzelt die Stirn. » Sei vorsichtig«, sagt er zu mir.
» Mach dir keine Sorgen«, sagt Will. » Wir werden auf sie aufpassen.«
Four führt uns zu den Stegen, die an den Felswänden um die Grube herumführen. Will geht links von mir, Christina rechts.
» Ich habe mich nie richtig bei dir entschuldigt«, sagt sie leise. » Dass
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