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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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Ängste ihr tatsächlich habt.«
    Wie viele Ängste werden es bei mir sein? Ich muss an die Krähen denken und fröstle, obwohl es warm ist.
    » Ich habe euch schon gesagt, dass es im dritten Abschnitt der Initiation vor allem um eure mentale Vorbereitung geht«, erklärt Four. Ich weiß noch genau, wann er das gesagt hat. Es war an unserem allerersten Tag, kurz bevor er Peter eine Waffe an den Kopf gehalten hat. Ich wünschte, er hätte abgedrückt.
    » Ihr müsst nämlich eure Gefühle und euren Körper gleichermaßen beherrschen, damit ihr die körperlichen Fertigkeiten, die ihr im ersten Teil erworben habt, mit den mentalen Fähigkeiten, die ihr in der zweiten Initiationsphase ausgebildet habt, vereinen könnt. Damit ihr auch in Gefahrensituationen einen kühlen Kopf behaltet.« Eine der Leuchtstoffröhren über Fours Kopf flimmert. Er lässt seinen Blick nicht mehr gleichmäßig über alle Anfänger schweifen, sondern schaut jetzt direkt zu mir.
    » In der nächsten Woche müsst ihr eure Angstlandschaft so schnell wie möglich durchlaufen, und zwar vor einem Ausschuss, der aus Anführern der Ferox besteht. Das ist eure letzte Prüfung, die über euer Ranking in der dritten Initiationsphase entscheidet. Und so, wie Teil zwei mehr zählte als Teil eins, zählt Teil drei mehr als alle anderen. Habt ihr verstanden?«
    Wir alle nicken, sogar Drew, auch wenn er dabei ziemlich leidend wirkt.
    Wenn ich in diesem letzten Test gut abschneide, habe ich die Chance, einen Platz unter den zehn Besten zu schaffen und in die Fraktion aufgenommen zu werden. Eine richtige Ferox zu werden. Der Gedanke macht mich ganz schwindlig vor lauter Freude.
    » Ihr habt zwei Möglichkeiten, diese Hindernisse zu überwinden. Entweder ihr schafft es, euch selbst so zu beruhigen, dass wir in der Simulation einen normalen, gleichmäßigen Pulsschlag feststellen, oder ihr findet einen Weg, euch der jeweiligen Angst zu stellen, denn dann tritt die Simulation in die nächste Phase ein. Eine Möglichkeit, der Angst vor dem Ertrinken entgegenzutreten, ist es zum Beispiel, tiefer zu tauchen.« Achselzuckend fügt er hinzu: » Ich würde vorschlagen, ihr nutzt die nächste Woche dazu, euch eure Ängste durch den Kopf gehen zu lassen und euch eine Strategie zu überlegen, wie ihr sie bekämpfen wollt.«
    » Das ist nicht fair«, sagt Peter. » Was, wenn der eine sieben Ängste hat, der andere aber zwanzig? Keiner kann doch was dafür.«
    Four mustert ihn ein paar Sekunden lang, dann lacht er. » Willst du dich wirklich mit mir darüber unterhalten, was fair ist und was nicht?«
    Alle machen ihm den Weg frei, als er mit verschränkten Armen auf Peter zugeht und todernst zu ihm sagt: » Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen machst, Peter. Was in der letzten Nacht passiert ist, beweist ja eindeutig, dass du ein elender Feigling bist.«
    Peter starrt ihn fassungslos an.
    Four verzieht höhnisch sein Gesicht. » Jetzt wissen alle, dass du dich vor kleinen, dünnen Altruan-Mädchen fürchtest.«
    Will legt den Arm um mich. Christinas Schultern zucken, weil sie sich das Lachen kaum verkneifen kann. Und insgeheim lache ich mit.
    Als ich am Nachmittag den Schlafsaal betrete, ist Al da.
    Will steht hinter mir und legt mir sanft die Hand auf die Schulter– wie um mich daran zu erinnern, dass er in meiner Nähe ist. Christina rückt ein Stück näher an mich heran.
    Al hat dunkle Ringe um die Augen und sein Gesicht ist vom Weinen verschwollen. Es versetzt mir einen Stich, ihn so zu sehen. Ich bleibe stehen. Der Duft von Zitronengras und Salbei, den ich bisher so gern gemocht habe, steigt mir jetzt unangenehm in die Nase.
    » Tris«, sagt Al mit brüchiger Stimme. » Kann ich mit dir reden?«
    » Machst du Witze?« Will drückt meine Schulter. » Lass dich nie wieder in ihrer Nähe blicken.«
    » Ich tue dir nichts. Ich wollte dir nie etwas tun…« Al vergräbt sein Gesicht in beiden Händen. » Ich wollte dir nur sagen, dass es mir leidtut. Es tut mir schrecklich leid. Ich… ich weiß nicht, was mit mir los ist… bitte verzeih mir, bitte …«
    Er streckt die Hand nach mir aus, um meine Schulter zu berühren oder meine Hand, sein Gesicht ist tränenüberströmt.
    Irgendwo tief in meinem Herzen bin ich ein mitleidiger Mensch, der anderen verzeiht. Irgendwo in mir ist das Mädchen, das zu verstehen versucht, was andere Menschen durchmachen, das weiß, dass Menschen schlimme Dinge tun und sich aus lauter Verzweiflung zu den dunkelsten Taten hinreißen lassen. Ich

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