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Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2

Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2

Titel: Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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Sie trägt noch dieselben Sachen wie am Abend zuvor.
    » Hey«, begrüßt sie mich.
    » Im Moment ist eine weitere Ladung Schuldgefühle das Allerletzte, was ich brauchen kann. Könntest du also einfach wieder gehen?«
    » Ich will dir nur eines sagen, dann bin ich weg.«
    Ihre Augen sind geschwollen und ihre Stimme klingt irgendwie müde, was entweder von der Erschöpfung oder vom Alkohol oder von beidem kommt. Aber ihr Blick ist so klar, dass sie hundertprozentig weiß, was sie redet.
    » Bis gestern Abend hatte ich noch nie so eine Simulation gesehen. Ich meine so von außen, als Unbeteiligte. Aber gestern…« Sie schüttelt den Kopf. » Du hattest recht. Sie konnten niemanden hören, niemanden sehen. Genauso wie Will –«
    Ihre Stimme bricht, als sie seinen Namen ausspricht. Sie hält inne, holt tief Luft, schluckt, blinzelt mehrmals. Dann blickt sie mich wieder an.
    » Du hast mir gesagt, dass du keine Wahl hattest, weil er dich sonst erschossen hätte. Damals habe ich dir nicht geglaubt. Heute glaube ich dir und… ich will versuchen, dir zu vergeben. Das… war alles, was ich dir sagen wollte.«
    Ein Teil von mir fühlt nur Erleichterung. Sie glaubt mir, sie will mir vergeben, obwohl ihr das sicher nicht leicht fällt.
    Aber ein anderer, ein größerer Teil von mir fühlt Wut in sich hochsteigen. Denn was, bitte, hat sie bis jetzt von mir gedacht? Dass ich Will, einen meiner besten Freunde, absichtlich erschossen habe? Sie hätte mir von Anfang an vertrauen sollen, hätte wissen müssen, dass ich es niemals getan hätte, wenn es irgendeinen Ausweg gegeben hätte.
    » Was für ein Glück für mich, dass du endlich einen Beweis dafür hast, dass ich keine kaltblütige Mörderin bin. Außer meinen Worten natürlich. Ich meine, warum solltest du mir auch glauben?« Ich lache gezwungen auf und versuche, lässig zu bleiben. Sie öffnet den Mund, aber ich rede einfach weiter, ich kann mich nicht bremsen. » Du solltest dich besser mit deiner Vergebung beeilen, denn es bleibt nicht mehr viel Zeit –«
    Meine Stimme versagt und ich kann nicht länger an mich halten. Ich breche in hemmungsloses Schluchzen aus. Ich lehne mich gegen die Wand, spüre, wie meine Knie weich werden und ich zu Boden sinke.
    Vor lauter Tränen sehe ich kaum etwas, aber ich fühle ihre Nähe, als sie die Arme um mich legt und mich so fest drückt, dass es wehtut. Sie duftet nach Kokosöl und sie ist stark, genauso wie sie es bei der Initiation war, als sie sich nur mit den Fingerspitzen an eine Felskante über dem Abgrund klammerte. Damals– und das ist noch gar nicht so lange her– fühlte ich mich schwach neben ihr, aber jetzt gibt mir ihre Stärke das Gefühl, dass auch ich noch Kraft in mir habe.
    Wir kauern gemeinsam auf dem Steinfußboden und ich klammere mich genauso fest an sie wie sie sich an mich.
    » Ich habe dir schon vergeben«, sagt sie. » Das wollte ich dir eigentlich sagen. Dass ich dir schon vergeben habe.«
    An diesem Abend verstummen alle Gespräche, als ich die Cafeteria betrete. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Ich bin eine Unbestimmte. Ich habe es in der Hand, sie alle an Jeanine auszuliefern, sie dem sicheren Tod zu überlassen. Die meisten würden es wahrscheinlich am liebsten sehen, wenn ich mich selbst opfere. Oder sie fürchten, dass ich genau das nicht tun werde.
    Wenn das hier alles Altruan wären, würde jetzt kein einziger Unbestimmter mehr an den Tischen sitzen.
    Einen Augenblick lang weiß ich nicht, wo ich mich hinsetzen, in welche Richtung ich mich überhaupt wenden soll. Aber dann winkt mich Zeke mit düsterem Blick zu sich und ich lenke meine Schritte an seinen Tisch. Bevor ich dorthin gelange, fängt mich Lynn ab.
    Sie ist nicht mehr die Lynn, die ich gekannt habe. Der wild entschlossene Blick in ihren Augen fehlt. Stattdessen ist sie blass und beißt sich auf die Lippen, damit man nicht sieht, wie sehr sie zittern.
    » Ähm…«, beginnt sie. Sie blickt nach links, dann nach rechts, überallhin, nur nicht in meine Augen. » Ich, also… Marlene fehlt mir, wirklich. Ich kenne sie schon so lange und ich…« Sie schüttelt den Kopf. » Die Sache ist die, glaub ja nicht, dass das, was ich sage, irgendwas mit Marlene zu tun hat«, sagt sie in einem beinahe vorwurfsvollen Ton, » aber… danke, dass du Hec gerettet hast.«
    Lynn tritt von einem Fuß auf den anderen, ihr Blick flackert unruhig durch den Raum. Dann umarmt sie mich mit einem Arm, ihre Hand krallt sich in mein Shirt. Meine Schulter

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