Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
springe heraus, renne ein paar Schritte weiter, um nicht hinzufallen. Tobias springt nach mir heraus, aber ich lasse ihn nicht an mich heran– ich gehe direkt in das Gebäude, die Treppe hinunter in die Grube und suche mir einen Platz zum Schlafen.
26. Kapitel
Jemand rüttelt mich wach.
» Tris! Steh auf!«
Ein Schrei. Ich denke nicht lange nach, sondern schwinge meine Beine über die Bettkante und lasse mich von jemandem zur Tür zerren.
Ich bin barfuß und schramme über den rauen Boden. Ich blinzle, um zu sehen, wer mich da gerade hinauszerrt. Christina. Sie kugelt mir beinahe den linken Arm aus.
» Was ist passiert?«, frage ich. » Was ist denn los?«
» Halt die Klappe und lauf!«
Wir rennen zur Grube und das Tosen des Flusses verfolgt mich den Pfad entlang bis ganz nach oben. Als mich Christina das letzte Mal aus dem Bett geholt hat, waren sie gerade dabei, Als Leiche aus dem Wasser zu ziehen. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche, nicht daran zu denken. Es kann, nein es darf nicht schon wieder etwas passiert sein.
Ich ringe nach Luft– sie läuft viel zu schnell für mich–, während wir über den Glasboden der Pyramide sprinten. Christina schlägt mit der Handfläche auf den Aufzugknopf, springt rein, ehe sich die Türen ganz geöffnet haben, und zieht mich hinter sich her. Sie hämmert erst auf den SCHLIESSEN -Schalter, dann auf den obersten Knopf.
» Simulation«, sagt sie. » Es ist eine Simulation. Nicht bei allen, sondern nur… bei ein paar wenigen.«
Sie stützt sich mit den Händen auf ihre Knie und holt tief Luft. » Eine hat etwas von den Unbestimmten geredet«, sagt sie.
» Geredet?«, frage ich. » Während der Simulation?«
Sie nickt. » Es war Marlene. Sie klang ganz anders als sonst. Irgendwie… mechanisch.«
Die Türen öffnen sich, und ich folge Christina den Gang entlang bis zu einer Tür, auf der ZUGANG ZUM DACH steht.
» Christina«, frage ich, » warum gehen wir aufs Dach?«
Sie gibt mir keine Antwort. Die Treppe nach oben riecht nach alter Farbe. Schwarze Graffiti sind quer über die Zementwände gesprüht. Das Symbol der Ferox. Anfangsbuchstaben mit Pluszeichen dazwischen: RG + NT , BR + FH . Sie stammen von Pärchen, die jetzt wahrscheinlich schon alt sind oder die schon längst miteinander Schluss gemacht haben. Ich lege die Hand auf die Brust, um meinen Herzschlag zu spüren. Mein Puls rast so unglaublich schnell, dass es ein Wunder ist, dass ich überhaupt noch Luft bekomme.
Die Nachtluft ist kühl. Sie jagt mir eine Gänsehaut über die Arme. Inzwischen haben sich meine Augen so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass ich auf der anderen Seite des Dachs drei Personen direkt an der Dachkante erkennen kann. Sie blicken in meine Richtung. Eine der drei Gestalten ist Marlene. Die andere ist Hector. Dann ist da noch jemand, den ich nicht kenne– eine junge Ferox, kaum acht Jahre alt, mit einer grünen Strähne im Haar.
Sie stehen ruhig und wie versteinert an der Kante, obwohl der tosende Wind ihnen die Haare in die Stirn, über die Augen und vor den Mund weht. Ihre Kleider flattern heftig, aber sie selbst sind wie erstarrt.
» Hey, kommt doch einfach von der Dachkante weg«, sagt Christina. » Macht keine Dummheiten. Kommt schon!«
» Sie können dich nicht hören«, sage ich leise, während ich auf sie zugehe. » Nicht einmal sehen.«
» Wir sollten uns gleichzeitig auf sie stürzen und alle drei packen. Ich nehme Hec, du –«
» Wenn wir das machen, laufen wir Gefahr, sie vom Dach zu stoßen. Stell dich zu dem kleinen Mädchen, nur für alle Fälle.«
Sie ist viel zu jung für so etwas, denke ich, aber ich bringe es nicht über mich, das laut auszusprechen. Es würde ja heißen, dass Marlene alt genug ist.
Ich sehe Marlene an, deren Augen ausdruckslos sind wie lackierte Steine, wie Glaskugeln. Ich fühle mich, als würden die Steine mir durch den Hals bis in den Magen rutschen und mich nach unten ziehen. Es ist aussichtslos, sie in diesem Zustand von der Dachkante wegbringen zu wollen.
Endlich öffnet sie ihren Mund und beginnt zu sprechen.
» Ich habe eine Botschaft für die Unbestimmten.« Ihre Stimme klingt monoton. Die Simulation kann auf Marlenes Stimmbänder zugreifen, aber sie raubt ihnen die natürliche Bewegung, den Klang von menschlichen Gefühlen.
Ich blicke von Marlene zu Hector. Hec, der regelrecht Angst vor mir hat, weil seine Mutter ihn immer vor mir warnt. Lynn sitzt wahrscheinlich immer noch an Shaunas Bett, in der Hoffnung, dass
Weitere Kostenlose Bücher