Die Besucher
Hühner verraten. Was Adam jedoch am meisten verdroß, war der Umstand, daß sein Vater, der bis vor kurzem noch im Vierhundertmeter- und Staffellauf zu starten pflegte, immer noch schneller war als er selbst.
»Wohin willst du mit diesem Hemd? Und mit dem Heft?«
»Ich werde dir alles erklären, Papa«, sagte Adam, obwohl es eigentlich nichts zu erklären gab, denn neben etlichen unsinnigen Berechnungen war das blaue Heft voller halbnackter Damen, die er mühsam aus Zeitschriften ausgeschnitten hatte.
»So also soll der Bub was lernen!« stellte der Vater fest. »Aus diesem Jungen wird nie was Rechtes, Mama! Den nehmen sie nicht einmal beim Straßenbau, weil er nicht berechnen kann, wieviel Erdreich ein Arbeiter aushebt, wenn acht Arbeiter...Er kann eben nur eines! Schmutzige Bildchen ins Heft kleben und sich dann ins Klo einsperren, damit er sich nicht ein paar Ohrfeigen fängt!« »Aber er hat doch heute Geburtstag...« »Und meine Nerven sind auch nicht aus Stahl«, seufzte der Papa. Das Anstreichen des Zauns machte ihm längst keinen Spaß mehr. Jetzt hatte er endlich einen Vorwand, in den Keller zu gehen, sich dort einzuschließen und ein Weilchen allein zu sein.
»Warum schließt du dich denn ein?« fragte die besorgte Mama. »Von der Stadtverwaltung war schon zweimal jemand da, um zu fragen, ob du nicht insgeheim Schnaps brennst.« »Schnaps, ich bitte dich! Meine Äpfel faulen. Soll ich sie vielleicht rauswerfen?«
In der Tat lag in einer Ecke, unter den Wandgestellen mit den Retorten und Glaskolben, ein Haufen von Winteräpfeln. Dieses düstere Kellergewölbe mit seinen holzverkleideten Wänden glich eher der Hexenküche des Doktor Faust als einem Vorratskeller. Der Papa blätterte in dem beschlagnahmten Heft. Versonnen betrachtete er die Bilder der Blondinen im Badeanzug. Dann begann er, die Destillationszeremonie vorzubereiten. Er war in bester Stimmung. Nur eines trübte sie: daß Adam nicht da war, um ihm zu helfen. Er verstand sich gut mit ihm. Aus der Ferne hörte Vater Bernau die klagenden Töne von Adams Geige, begleitet von dem Geheul des Hundes Fido...
»Ebenso wie die häufigen Begegnungen mit dem großen Lehrmeister Drichlik wurde meine zukünftige Arbeit von den kühnen Versuchen meines Vaters auf dem Gebiet der Chemie beeinflußt«, schrieb Adam Bernau in seinen »Erinnerungen«. »Voller Bewunderung verfolgte ich im Keller meines Geburtshauses jene seltsamen Experimente, die an die vergessene Kunst der Alchemisten längst vergangener Zeiten erinnerten...«
Diese anerkennenden Worte hätten Vater Bernau mehr erfreut als alles andere. Auf seinen Pflaumenschnaps Sliwowitz war er stolz. Der Birnenschnaps war etwas derber, aber von seinem Apfelschnaps wurde in der Stadt allgemein behauptet, er käme in Geschmack und Aroma dem edelsten französischen Calvados gleich. Zarte Dämpfe stiegen im Keller zur Decke empor und wirkten bereits jetzt berauschend. Papa Bernau mußte an die Bildchen denken, die auch er als Junge gesammelt und in geheimen Verstecken verborgen hatte. Plötzlich begann er, alles zu verstehen...Auch das blaue Heft...
16. Geländeforschung
»Es hätte alles noch viel schlimmer ausfallen können«, wertete der Akademiker die Lage, indem er, in Schweiß gebadet, das Niva-VI-Auto, das mit dem Fahrgestell am Rande der steilen Klippe hing, bäuchlings verließ. Nun war also auch er in Sicherheit im Kreise der anderen drei Expeditionsteilnehmer. Er hielt sich am Stamm der jungen Birke fest und zog die nunmehr völlig überflüssigen Lagepläne aus der Tasche. »Daß wir irgendwo sind, das steht fest; allerdings ganz anderswo als geplant. Planmäßig sollte hier eine Landstraße sein. Rechts davon ein Baumaschinenlager. Es ist allerdings möglich, daß ich dieses Dingsda zu früh gedrückt habe...«
»Was für ein Dingsda? Sie haben etwas gedrückt?«
»Nur ganz sachte. Im Interesse der Expedition, als am Display die Zahl 1984 erschienen war...«
»Dafür müssen Sie sich nicht entschuldigen. Für diese idiotische Situation könnten Sie nicht, selbst wenn Sie acht solche Dingsdas gedrückt hätten«, tröstete Karas und erwog, was nun zu tun sei. »Landung und Raumsprung waren automatisch gelenkt. Die Automatik arbeitete die ganze Zeit hindurch selbsttätig, genau nach Programm. Sehen Sie doch selbst! Gerade jetzt verschwinden die Terminatoren in der Tiefe des Armaturenbretts — einfach deshalb, weil sie uns sonst verraten könnten. Kurz darauf wird sich das
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