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Die Besucher

Die Besucher

Titel: Die Besucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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die andern es nicht wissen«, bemäntelte Katja ihren Fehler. Dann schaltete sie von Auge 1 auf Auge 2 (in der Schuhsohle) um.

    In das halbdunkle Hotelzimmer, dessen Jalousien geschlossen und dessen Vorhänge zugezogen waren, drang das Gekreisch der Kinder und die Musik des Rummelplatzes. Der Spiegel erstrahlte im Schein der bunten Glühbirnen der Attraktionen und fing die letzten Strahlen der untergehenden Sonne auf. In einer Ecke des Marktplatzes, dessen Bild sich langsam im Spiegel zu drehen begann, schweißten zwei Männer mit bloßem Oberkörper Edes Wohnwagen zusammen. Die Lautsprecher an den Masten spielten immer von neuem die letzten beiden Hits, und die Stimme der Sänger klang jedesmal heiserer. Aber all das Getöse wurde übertönt von der Stimme Adams auf dem Kettenkarussell:

    »Weißt du, Ali, daß es manchmal ganz fein ist, wenn das Haus abbrennt? Jeder bedauert dich und stopft dich voll mit Bonbons, und ich brauch’ bloß in die Tasche zu greifen und finde Geld drin. Dabei hat mir die Mama auch noch einen Zwanziger zugesteckt, weil sie das nicht wußte!«

    Plötzlich erkannte der Akademiker, daß er für all das Geld, das in dicken Bündeln überall im Zimmer umherlag, den ganzen Jahrmarkt kaufen könnte: Tausende Pelzmäntel, Fahrräder. Berge von Toast-Röstern. Die Welt, in die sie sich versetzt hatten, war völlig verrückt und damit mußte man rechnen.

    Anstatt darüber zu grübeln, schälte er lieber eine Banane. Sie schmeckte nach Banane. Die Apfelsinen dufteten wie Apfelsinen. Das freute ihn. Gewisse Dinge waren Dinge geblieben. Dazu gehörten unter anderem auch die »Erinnerungen«, ebenso wie der Knabe Adam mit seiner unersättlichen Neugier, mit der er immer wieder andere Tatsachen um sich herum entdeckte: den Jahrmarkt, den zersägten Zaun des Fußballplatzes, den Fluß, den Wald, die im Röhricht nistenden Vögel, an deren Nestern er, heimlich vom Akademiker verfolgt, auf dem Bauch heranschlich...

    Die Freude des Akademikers hielt auch jetzt noch an, als er beobachtete, mit welcher Freude Adam mit Ali Karussell fuhr und in den Luftschaukeln wippte.

    »Wir können daher abschließend sagen«, bemerkte er mit einem Blick in den Spiegel mit dem Bild des wogenden Jahrmarkttrubels, »daß wir die Aufgaben des heutigen Tags mehr als erfolgreich bewältigt haben. Wir sind umgezogen. Völlig unauffällig haben wir die notwendigsten Einkäufe besorgt. Durch einen glücklichen Zufall ist es uns gelungen, die verlorene Säge zurückzugewinnen. Wir haben uns im Stadtbild orientiert. Wo das Auge 2 steckt, wissen wir. Auch ich selbst war nicht müßig. Obwohl die Beobachtung des Genies im Verlaufe seines ganztägigen Umherstreifens nicht gerade einfach war, brachte sie doch bedeutende Resultate. Ich rechne damit, später in einem selbständigen Erinnerungswerk darauf zurückzukommen. Ich kenne auch bereits dessen Titel: >Adam Bernau, der ewige Sucher<. Was duftet denn hier so?«

    »Man nennt es Salami«, murmelte Karas, indem er (hinter dem breiten Pelzkragen und den Ärmeln des Pelzmantels versteckt) ein Stück Wurst aus einem fettigen, knisternden Papier abbiß. »Ein halbes Pfund, sechs Kronen sechzig. Daher die vielen Goldscheibchen, die ich an der Kasse herausbekam.«

    »Zeigen Sie mal!«

    Doktor Noll war plötzlich hellwach. Seine Müdigkeit war verflogen. Er nahm dem Techniker den Rest der Wurst mit dem Papier aus der Hand, schnupperte angeekelt daran und legte Wurst und Papier dann in das Vernichterköfferchen.

    »In Ihrem eigenen Interesse! Sie verstehen wohl? Keine Speisen aus der Vergangenheit! Essen Sie eine Pampelmuse, kombiniert mit Amaronen und Zitronensaft. Erfrischend! Nahrhaft! Wohlschmeckend!«

    Bei den letzten Worten entdeckte er die unglücklichen Blicke des Karas, mit denen er das Funkeln des Köfferchens verfolgte, das mit einem leisen Rauschen beseitigte, was einst duftende Salami war.

    »Wir können auch solarisieren...«

    Karas reagierte mit einem verächtlichen Zischen.

    Seufzend schlängelte er sich durch das enge Gäßchen zu seinem Bett hindurch. Geldbündel, Reservehemden und Pyjamas schob er einfach beiseite. Das Fahrrad Doktor Nolls, das ihn behinderte, zog er ans Fenster. »Solarisieren!!! Nächstens fragen Sie doch wenigstens, bevor Sie was vernichten! So etwas Gutes wie diese Salami hab’ ich im Leben noch nie gegessen!«

    »Durch das gemahlene rohe Fleisch toter Tiere, das man gesalzen und gewürzt hat, können, wenn es nicht richtig behandelt und

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