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Die Besucher

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Titel: Die Besucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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geräuchert wurde, Viehseuchen auf den Menschen übertragen werden...Milzbrand...Rotzkrankheit...! Es tut mir leid, aber das ist noch lange nicht alles, Karas! Auch allerhand Würmerarten, die als Parasiten im Rind, Schwein und Fisch leben...« Doktor Noll öffnete seine Ärztetasche. Mit trauriger Miene fischte er Fläschchen, Tuben und Stanniolfolien mit bunten Medikamenten in Kugelform heraus. »Für alle Fälle sollten Sie wenigstens eine Antibotulin-Pille schlucken. Zwei bis drei Schutztabletten gegen Spulwürmer. Zum Glück haben wir auch Antikrebserreger mitgenommen...«

    Aber niemand hörte mehr, was er sagte. In dem funkelnden Spiegel über dem Waschbecken, in dem sich die Glühbirnen-Girlanden des großen Karussells drehten, huschte etwas Gelbes vorbei, und über die Lautsprechermusik ertönte die Stimme des Mädchens Ali, von einer Fliegenden Untertasse des Twisters zum Himmel emporgetragen:

    »Ich hab’ was für dich! Eine Überraschung! Da mußt du aber die Augen zumachen, lieber Adam!«

    Es war ein gelbes Heft. Aber die Begeisterung des Genies blieb aus.

    »Wozu ein Heft? Ein blödes, gelbes Heft! Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank, Ali?«

    »Vielleicht schreibst du was für mich hinein...Die Malekhat gesagt, ihr hast du ein Gedicht hineingeschrieben...« »Da hat die aber ganz schön angegeben...!«

    »Das gelbe Heft!« Gefolgt von den andern, sprang der Akademiker ans Fenster. »Schnell! Katja, los! Optisch aufzeichnen!« Er zog den Vorhang hoch. Über dem Marktplatz schwebten die silbernen Gondeln der Fliegenden Untertassen. Langsam sanken sie zu den Dächern der Schießbuden herab. Die Geisterbahn. Die Fliegenden Untertassen stoppten. Auch die, in der Adam und Ali saßen. Ali versuchte auszusteigen. »Ich muß schon laufen...Der Vater haut mich blau...« Aber Adam hielt sie fest. Das gelbe Heft steckte er ins Hemd. »Geh noch nicht! Ich hab noch fünf Kronen...Du, aber dieser Malek hab’ ich wirklich nichts geschrieben...« Erzählte. Die Gondel schwebte wieder hoch. Daneben drehte sich das Kettenkarussell. Die Räder der Achterbahn dröhnten. Überall strahlten die Glühbirnen. Adam legte Ali den Arm um den Hals. Wenn sie die Köpfe neigten, sahen sie, wie sich die Lichter der Glühbirnen mit dem Licht der ersten Sterne vermischten. »Stell’ dir vor, wenn das hier kein Karussell, sondern eine wirkliche Rakete wär’...und wir flögen miteinander ganz anderswohin...« »Anderswohin?« »Irgendwohin, wo es niemanden gäbe, nur uns.« Während die Gondel stieg, rückte Adam näher an Ali heran. »Du und ich...Wie in diesem Buch >Die Narren von den Hepteriden<...Dort hatten die so einen Lokomotor, mit dem konnten sie sich jenseits des Raums und von dort zurückverschieben...nicht so ein Schwarzes Loch, das dich einsaugt und in einen fremden Kosmos ausspuckt, sondern etwas völlig anderes...Ein Traum, in dem du dir selbst begegnest, aber keine Zeitschlinge...Man kann das schrecklich schwer erklären...Der Große Lehrmeister hat eine Bezeichnung dafür erdacht: >Gewaltsames Eindringen in die Zeit<...Ich hab’ versucht, das zu berechnen...«

    Seine Stimme wurde von der Musik der Lautsprecher übertönt. Dann war nichts mehr. Das Karussell begann sich zu drehen.

    »Die Aufzeichnung überprüfen!« befahl der Akademiker und hatte das Gefühl, daß ihm vor Aufregung die Handflächen schwitzten. »Sendung für Null Uhr achtundfünfzig vorbereiten!«

29. Kamenice: 0 Uhr 58

    Um neun Uhr abends verstummten alle Lautsprecher. Die Lichter-Girlanden erloschen. Um elf Uhr erloschen die Lampen der Häuser um den Marktplatz. Die Leute gingen zu Bett. Das Fernsehprogramm war zu Ende. Über dem menschenleeren Marktplatz flackerte nur noch das grellblaue Licht des Schweißgeräts. Karussell-Ede montierte immer noch seinen Wohnwagen zusammen. Streunende Katzen erschienen in der Maiennacht. Miauend und kreischend strichen sie über die Dächer. An den Gartenzäunen schlugen die Hunde an. Auch Fido erwachte. Er gähnte und öffnete ein Auge. Dann das zweite. Verwundert, warnend knurrend, blickte er in der unbekannten Welt des Hotelzimmers um sich. Dann erblickte er an seiner Seite den Knaben Adam. Das beruhigte ihn. Sein Kopf sank wieder auf die Pfoten zurück; er schlummerte zufrieden weiter. Daß das Auge 2 in der Sohle des Schuhs, den Adam achtlos unter einen Stuhl geworfen hatte, nicht nur sein Bild, sondern auch sein Geschnarche und Geschnalze bild- und tongetreu ins Nebenzimmer Nummer 3

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