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Die Besucher

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Titel: Die Besucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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Markgrafen Friedrich von der Krummen Hand erwarteten. Die grausam Gefolterten erblickten nie mehr das Licht des Tages, sondern nur ab und zu flackernde Kienspäne, wenn ihre Folterknechte kamen...«

    Ein flehender Schrei zerriß die Stille.

    Dann krächzte etwas.

    »Worel, mäßige dich! Glaubt ja nicht, daß ich euch nicht sehe, wenn es dunkel ist! Bernau, du auch...«, ermahnte die Lehrerin.

    »Warum ich?« wehrte sich Adam, hinter einer Säule versteckt damit beschäftigt, das lange Haar zweier Mitschülerinnen zusammenzubinden. Plötzlich wendete er sich um. Im Dunkel hinter seinem Rücken hatte etwas gepiepst. Es war der Bleistift in der Brusttasche des Geometers. Er begann zu blinken. Der Mafioso wurde zappelig. Er verdeckte den Leuchtpunkt mit der Hand. In der Ferne flackerte eine Fackel in einem Eisenring an der Wand auf. Schatten huschten über die Mauern der Folterkammer.

    »Das Mittelalter kannte kein Erbarmen«, erklärte der Fremdenführer. »Das werden wir besser verstehen, wenn wir uns in diese Richtung weiterbegeben wollen. An der rechten Wand, die Foltergeräte: die Streckleiter, auf die man die Eingekerkerten beim hochnotpeinlichen Verhör spannte. Der Spanische Stiefel, die sogenannte Eiserne Jungfrau.«

    Seine Stimme, ebenso wie die Rufe der Lehrer entfernten sich langsam.

    »Vier B! Nicht auseinanderlaufen! Zusammenbleiben! Nichts berühren, Kinder!«

    Der Akademiker war zurückgeblieben.

    Er hatte sich hinter der Streckleiter versteckt.

    »Hier spricht Philipp. Wir sind in der Folterkammer! Nicht rufen, Karas! Ich rufe selbst! Nur im Notfall.«

    Philipp schaltete den Bleistift ab, doch der begann wieder zu blinken. Man hörte eine leise quäkende Stimme.

    Schwitzend sagte Philipp:

    »Was für ein Notfall? Was ist mit dem Geld?« Mehr konnte er nicht sagen. Er verbarg den Bleistift mit der Hand vor den Augen eines neugierigen Knaben. Der Junge stand nicht weit von ihm neben dem Werkzeug der Henkersknechte, als warte er auf etwas. »Ein heiterer Ausflug, gelt?« meinte Philipp.

    »Na ja«, gab Adam zu, aber ihn interessierte etwas völlig anderes. »Das Ding in diesem Bleistift ist ein Tonbandgerät?«

    »Nein...Das ist bloß so ein Drehbleistift...«

    Gemeinsam schritten sie, Adam einen Schritt hinter Philipp, an den Folterinstrumenten vorbei, zur Pforte.

    »Ich hatte den Eindruck, Sie hätten in dieses Ding gesprochen...«

    »Warum sollte ich in einen Bleistift reden?«

    »Das fand ich eben so seltsam...auch daß er Blinksignale gab, als habe er ein Glühlämpchen drin...«

    »Das hat er auch«, knurrte Philipp und ließ den Bleistift blinken. »Siehst du?«

    Er stutzte. Die schwere Eisentüre vor ihnen war krachend ins Schloß gefallen. Man hörte das Knarren des Schlüssels.

    »So, jetzt sind wir eingesperrt«, wertete Adam seelenruhig die Lage. »Ich dachte gleich, das sei kein gewöhnlicher Stift. Japanisch, nicht? Mit Stiftbatterie? Mein Papa hat auch so ein Ding zum Anhängen an den Schlüsselring...«

    Philipp rüttelte an der Türklinke.

    Er schlug mit der Faust gegen die Tür.

    »Bemühen Sie sich nicht, das hat keinen Sinn!« bemerkte Adam sachlich und spielte mit dem Knopf am Bleistift; hell — dunkel. »Jetzt können die uns nicht mehr hören, sie sind schon ein Stockwerk höher.«

    »Wieso...ein Stockwerk höher?«

    »Logisch. Weil dort eine Treppe hinaufführen muß.« Adam griff unter sein Hemd und fischte ein zerdrücktes gelbes Heft heraus. »Leuchten Sie hierher! Ich zeichne ihnen das auf! Hier, wo ich das Kreuzchen mache, ist der Haupteingang vom Burghof. Von dort aus sind wir zum Waffensaal gegangen. Dann kam ein Gang und eine herabführende Wendeltreppe. Die bezeichne ich mit dem Buchstaben A. Sie dreht sich nach links. Dann erreichten wir weitere Gänge, die sich kreuzten, und über die Treppe B stiegen wir tiefer...«

    Vor den erstaunten Blicken des Akademikers, der in diesem Augenblick Karas und das aus ihrem Hotelzimmer gestohlene Geld vergessen hatte, entstand, so als wäre dies völlig selbstverständlich, ein unendlich verzwickter Orientierungsplan:

    »...Wir befinden uns demnach jetzt im Turm des östlichen Burgflügels, und hinter dieser Tür führt eine weitere Treppe empor. Das ist ganz einfach.« Adam riß das bekritzelte Blatt aus dem Heft, warf es achtlos fort, um auf dem nächsten Blatt fortzufahren. »Wenn Sie das nachprüfen wollten, würde die Lösung im Querschnitt etwa so aussehen: Das hier ist die Turmwand und dort oben,

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