Die Besucher
die Weltgeschichte eingehen...«
Der Akademiker stellte die Koffer weg, legte die Trassierstäbe daneben, fischte ein in Leder gebundenes Buch aus der Aktentasche und öffnete es. Es erschien eine Buchseite, wo neben dem Foto eines erwachsenen, würdig dreinblickenden Mannes eine Seite leergeblieben war. Dann fand er noch einen Bleistift und drückte ihn dem Knaben in die Hand.
»Sagen wir mal, hierher! Schreib: Adam Bernau...«
»Neben diesen bärtigen Greis?« Adam zögerte. »Die ganze Anschrift?«
»Der Name genügt...«
Adam gehorchte. Er malte seine Unterschrift neben das Foto, wobei es ihm nicht einmal im Traum eingefallen wäre, daß er sich selbst ansah, sein eigenes Foto in den »Erinnerungen«.
»Vielleicht nur noch ein paar Worte«, flüsterte der Akademiker. »Meinem Freunde Philipp...Kamenice, 1984.«
Fünf Minuten später verließ ein hellblaues Auto mit Trassierstäben, dem Fahrrad und Koffern auf dem Autodach, das Hotel »Zum Löwen« und fuhr in der Richtung der Hütte des alten Drichlik davon. Es war höchste Zeit. Von der anderen Seite des Marktplatzes näherte sich dem Hotel nämlich das Auto der Geometer, die auch wirklich und wahrhaftig diesen ehrbaren Beruf ausübten.
48. Die letzten Wunder
»Der Vernichter!« freute sich der Akademiker, als das nun nicht mehr hellblaue, sondern gelbe Auto mit einem veränderten Kennzeichen in den Hof der Drichlikschen Hütte fuhr und am Ziegenstall hielt. »Wir haben also alles. Sind vollzählig. Wo steckt der Alte, damit wir ihm Lebwohl sagen können?«
»Er ist zur Stadt geradelt und sagte, er werde gleich wiederkommen. Wenigstens glaubte er das selbst.« Mit dem Kettchen mit den Glöckchen am Hals und mit rotgeweinten Augen glitt Katja ins Auto. »Ich wollte ihn zurückhalten, aber er hatte es eilig, um für unsere Reise noch etwas einzukaufen. Das Köfferchen sollte ein Geschenk für Sie sein. Können wir nicht irgendwie eingreifen, Philipp? Mir geht es einfach gegen den Strich, daß wir alle wissen, was in einer Viertelstunde geschehen wird und...«
»Wollen Sie die Vergangenheit ändern?« Der Akademiker schnallte sich an. »Suchen Sie lieber aus dem Archiv die Anschrift dieser Kamenicer Zeitung heraus! Ich hoffe, Sie können sich vorstellen, was das bedeuten würde, wenn morgen die Zeitung mit unserem Foto erschiene. Karas, die Panzerung! Inder Stadt darf uns keiner mehr sehen! Wir gehen auf Maulwurfsgang!«
Langsam schob sich der Schutz aus Kunststoff über die Fenster des Niva VI. Die Räder legten sich unters Fahrgestell. An ihren Stellen schoben sich Schneckengewinde heraus und bohrten sich in den Lehm.
Die Hühner und die Ziege im Stall wurden plötzlich reglos.
Das gelbe Auto bohrte sich in den Grund. Es verschwand, als hätte es nie ein gelbes Auto oder die Besucher gegeben.
»Drei Meter. Weiterbohren?«
»Weiterbohren und nach rechts! Achtung, der Brunnen!«Das Fahrzeug erbebte. Es leuchteten nur die Lichter am Armaturenbrett. Der Tiefenmesser. Der Kompaß. Sekundenlang hörte man, wie die Schneckengewinde im Wasser plätscherten.
»Das ist leicht gesagt, auf den Brunnen aufpassen«, atmete Karas auf, indem er bestrebt war, sich zu erinnern, welche Knöpfe er drücken und welche er unberührt lassen sollte. »Ich maulwurfe zum zweiten Mal im Leben, und dabei sehe ich nicht einen einzigen Schritt weit.«
»Wir müssen nur unter den Marktplatz geraten«, sagte Katja, nachdem sie im Archiv endlich entdeckt hatte, wo die Druckerei lag. »Die zweite Gasse links.«
»Richtung Nordnordwest...« Auf dem Rücksitz des Fahrzeugs versuchte der Doktor, sich im Stadtplan zu orientieren. »Nach dieser Anleitung sollte man jetzt dieses grüne Dingsbums drücken, das dort gerade blinkt...«
Karas tat dies und atmete erlöst auf. Am Heck des Wagens leuchteten starke Scheinwerfer auf. Sie machten unterirdische Abfallkanäle und Rohre sichtbar.
»Kurskorrektur nach Norden!«
»Nach Norden korrigiert!« bestätigte schwitzend Karas. Er fuhr im Rückwärtsgang aus dem Rohr der zerstörten Wasserleitung hinaus und suchte einen Umweg. »Die Zeit?«
»Zwölf Minuten bis zum Tod des Alten«, meldete Katja, als ob sie ahnte, was Karas hören wollte. »Vielleicht nur noch elf...«
»Wollen Sie damit vielleicht sagen...« fragte der Akademiker zögernd, »daß wir nicht zur Druckerei fahren?«
»Nein.« Karas schaltete um. »Sie ist nämlich bereits über uns und zwar mit einer Toleranz von höchstens zwanzig bis dreißig
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