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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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passte: dass sein Gast sich von gleich zu gleich mit einem so jungen Ding wie ihr unterhielt, dazu noch einer einfachen Magd.
    «Jetzt halt nicht Maulaffen feil und trag das Essen auf», wies Konzet sie in scharfem Unterton zurecht. «Der Herr Seibold hat Hunger.»
    «Ja, natürlich. Entschuldigen Sie.»
    In der Küche hatte Elisabetha alles fürs Abendessen bereitgestellt: Das Brot war in Scheiben geschnitten, Wein und Wasser in Krügen abgefüllt, über der Glut des Herdes wartete ein großer Topf Kartoffelsuppe mit Speck und Wurststücken darin. Hoffentlich hat sie es noch vor dem Gewitter nach Hause geschafft, dachte Theres. Mehr noch als sie selbst nämlich fürchtete sich Elisabetha vor Donner und Blitz.
    Nachdem Konzet und sein Pfarrerkollege mit Essen und Trinken versorgt waren, richtete Theres das Gästebett her und holte frisches Wasser und ein Handtuch für den Waschtisch.Dann erst machte sie sich ans Abendessen. Dass sie in der Küche essen musste, wenn Konzet Besuch hatte, machte ihr nichts aus. Es kam ohnehin selten genug vor. Heute allerdings, wo der Sturm an den Fensterläden rüttelte und das ganze Mauerwerk zu erschüttern schien, hätte sie tatsächlich lieber mit am Tisch gesessen. Zumal dieser Patriz Seibold etwas Besonderes ausstrahlte, worüber Theres, während sie ihre Suppe löffelte, die ganze Zeit nachgrübelte. Ganz plötzlich kamen ihr zwei Begriffe in den Sinn: Gottvertrauen und Nächstenliebe   – Begriffe, die ihr bisher immer hohl und leer erschienen waren. Mit Patriz Seibold waren sie auf einmal mit Leben erfüllt.
    Innerlich schüttelte sie den Kopf. Sie hatte diesen Mann gerade mal ein paar Minuten gesehen, und schon verlor sie sich in Gedanken über ihn. Das ging sie alles gar nichts an.
    Sie stand auf und machte sich daran, die Küche aufzuräumen. Die Tür nach draußen hatte sie angelehnt gelassen, um zu hören, wenn man nach ihr rief. Und weil das Gespräch der Männer sie beruhigte, auch wenn der Sturm jetzt nachzulassen schien.
    «Wir haben wohl alle damit zu kämpfen, die Kirchen wieder zu füllen», hörte sie Konzet sagen. «Seitdem in den deutschen Landen unsere Heilige Katholische Kirche ihrer Macht enthoben wurde und vom sogenannten Kirchenrat, dieser staatstreuen Aufsichtsbehörde, gegängelt wird, wissen die Menschen doch gar nicht mehr, was sie glauben sollen.»
    «Eben», pflichtete Seibold ihm bei, «mehr denn je geht es jetzt um einen lebendigen Glauben, einen Glauben von unten. Wir Pfarrer müssen uns mühen, die Menschen wieder zu erreichen. Was ist beispielsweise mit Ihrer Theres?» Theres in der Küche schrak auf. «Erreichen Sie sie in der Christenlehre, im Gottesdienst? Findet sie Trost im Glauben?»
    «Ich denke schon.»
    «Aber warum wirkt dann das Mädchen so traurig?»
    Konzet seufzte. «Ach, das arme Kind. Elternlos ist es aufgewachsen, ganz ohne Herzensbildung. Ein Kind der Landstraße eben, wie es leider Gottes allzu viele gibt in diesen harten Zeiten.»
    Dann hörte sie Konzet etwas flüstern und den Gast halblaut sagen: «Was für eine schwere Last für einen so jungen Menschen. Darf ich die Theres etwas fragen?»
    Sie wurde hereingerufen. Seibold reichte ihr seinen vollen Becher Wein, doch sie schüttelte den Kopf.
    Dann fragte er sie: «Wie würdest du beten, Theres, wenn du wirklich in Not wärest? Lieber mit eigenen Worten, wie sie dir frisch in den Sinn kommen, oder mit vorgefertigten Worthülsen?»
    «Aber darum geht es doch nicht», fuhr Konzet dazwischen.
    «Doch, eben darum: Die Menschen müssen Gott und den Glauben in sich spüren und sich darum mit ihren eigenen Worten an Gott wenden dürfen.»
    Konzet schüttelte heftig seinen runden Kopf. «Gerade der einfache, der ungebildete Mensch braucht die Anleitung durch das überlieferte Wort. Das Übrige   – Liturgie, Feiertage, Weihrauch, Schellenklang und prächtige Gewänder – ist auch notwendig, gewiss, denn all das spricht das Gefühl des Menschen an. In erster Linie aber soll er die Heilige Schrift, die Biographien der Heiligen, studieren, um Kraft zu schöpfen und den Glauben zu festigen.»
    «Die Bedeutung des Wortes will ich nicht mindern», entgegnete Patriz Seibold sanft. Dabei lächelte er Theres unentwegt an. «Aber es ist doch zu wenig. Der Glaube muss sich aus den eigenen Wurzeln erneuern, in echter Frömmigkeit. Und dabei helfen gerade die heiligen Rituale, die volksnahen Elemente wie etwa Wallfahrten oder Prozessionen.»
    «Da sprechen Sie ja gerade das Richtige an,

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