Die Beute
und Hannah aus dem Schrank befreien. Dann würden sie die Scheune verlassen und nach Hause fahren.
Doch es war Kane, der durch die Tür kam.
38
Matt umklammerte den Wagenheber und lief in großem Bogen hinter dem Lichtkegel vorbei. Er vermutete, dass es von der Scheunenfront bis zum Jeep vierzig Meter waren. Mit dem Umweg hinter dem Lichtkegel waren es vielleicht sechzig Meter. Es fühlte sich wie ein Marathon an.
Die Lichtung vor der Scheune war alles andere als gelichtet. In der Dunkelheit war sie ein Minenfeld voller loser Steine, alter Baumstümpfe und Rasenstücken, über die man stolpern und sich das Bein brechen konnte. Er kämpfte und stolperte, immer wieder musste er sich auf sein kaputtes Knie stützen. Der Schmerz war unerträglich – wie eine Metallsäge durchfuhr er seine Kniescheibe, sein Arm fühlte sich an, als steckte er in einem glühenden Schraubstock. Zum Glück war die Veranda wie eine Bühne beleuchtet. So konnte er sich orientieren. Der Jeep der Andersons und Jodies Wagen zeichneten sich deutlich in der Dunkelheit ab und wirkten wie späte Besucher eines Open-Air-Kinos.
Matt rannte so lange, bis er den Kies des Parkplatzes unter seinen Füßen spürte, trabte vorsichtig über den Schutt hinter dem Jeep und ließ sich auf den Boden fallen. Er achtete darauf, dass sich der Wagen zwischen ihm und der Haustür befand. Bis auf sein Keuchen war nichts zu hören. Kein Geräusch drang aus dem Jeep. Und auch nicht aus der Scheune.
Er kroch näher heran und versuchte seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Er war fünf Meter vom Wagen entfernt, als er es sah. Den dunklen Schatten auf dem Boden. Still, ruhig, leblos.
Matt schluckte. Versuchte das aufsteigende Grauen herunterzuschlucken.
Angeschossen hieß nicht tot.
Jodie, bitte sei nicht tot.
Die Hoffnung, die in ihr keimte, erstarb. Jodies Knie gaben nach.
Er würde sie töten.
Das war klar.
Kane hatte seinen Bruder erschossen. Und nun würde er auch sie umbringen. Und sie würde sich wünschen, schon tot zu sein, lange bevor ihr Herz zu schlagen aufhörte.
»So, du zähe Schlampe, jetzt kann uns niemand mehr stören.«
Kane kam weiter in den Raum, grinste sie an und schwang ein Gewehr an seinem Lauf. »Das brauchen wir jetzt nicht mehr«, sagte er und pfefferte es auf den Boden. Der Knall ließ Jodie zusammenzucken, als habe es sie getroffen. Kane zog eine Pistole aus dem Hosenbund und schob einen Finger durch den Abzug. »Und die brauchen wir auch nicht.« Er ließ sie auf den Boden fallen und stieß dasselbe brutale Lachen aus, das sie schon die ganze Nacht gehört hatte. Ihr war elend zumute.
Dann kam er auf sie zu und blieb vor dem Balken stehen. Stand einfach da.
Panik breitete sich in ihr aus.
»Also, du Schlampe, hast du nichts zu sagen?«
Jodie hielt den Mund. Sie hatte Angst vor dem Schrei, der in ihr aufstieg und ihre Lungen zu zerreißen drohte, fürchtete den machtlosen Tod, der auf sie wartete, wenn sie ihn herausließe.
Da packte Kane sie plötzlich hinten am Kopf und rammte ihre Wange gegen den Balken. »Komm schon, Schlampe. Sag irgendwas Fieses. Solange du noch die Gelegenheit dazu hast. Bevor du für mich schreist.«
Schmerz durchfuhr ihr Gesicht. Schweißgestank und der penetrante Geruch von Blut aus der Wunde in seinem Oberschenkel erfüllten ihren Kopf. Sie empfand eine unbändige Wut. Sie hatte keine Chance, ihn zu schlagen. Nicht, solange sie gefesselt war. Doch sie würde nicht für ihn schreien. Sie hob ihren Kopf, sah ihn an und schwieg.
Sein Grinsen wurde eisig. »Was? Du willst, dass deine Freundinnen uns zusehen? Wie wär’s, wenn ich sie hole, damit sie zusehen können, wie du verblutest? Wirst du mir dann Schweinereien sagen?«
Jodie sah sie vor sich. Nur kurz, wie einen Schnappschuss. Louise, die in Hannahs Armen blutete. Und da kam der Hass zurück. Heiß und zornig durchflutete er sie. Sie würde ihnen nicht helfen können. Und sie würden auch nicht nach Hause zu ihren Familien fahren. Kane würde sie alle töten. »Fick dich!«
Er ließ sie los, machte einen Schritt von ihr weg und lächelte, als hätte sie die weiße Flagge gehisst. »Oh, ja. Da ist sie ja wieder, die zähe Schlampe, die ich fertigmachen will.«
Hass loderte in ihr wie in einem Heizkessel, zischte und glühte und verlieh ihr einen eisernen Willen. Und während sie ihm zusah, wie er prahlte und wie ein Zuhälter vor einem Publikum vor ihr auf und ab stolzierte, wartete sie nur ab. Sie war wieder an dem Ort, an den sie
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