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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Schöne hatte eine fantastische Position erreicht, als er Favorit der verwitweten Herzogin von Alten-Sachsen geworden war. Und was tat er? Er verliebte sich in eine mittellose Frau, verließ den Fürstenpalast und beschloss seine Tage in Armut.
    Aus Naivität und Dummheit hatte Cornelius früher in diesem leichtfertigen Umgang der von Dorns mit den Geschenken des Schicksals einen besonders schönen und verwegenen Zug gesehen, aber nachdem er auf Märschen und bei Belagerungen gehungert, gefroren und Rauch geschluckt hatte, war er etwas vernünftiger geworden und hatte begriffen, dass die Ehre gut für die ist, die sie sich erlauben können. Wenn dein ganzes Vermögen in eine kleine Satteltasche passt, solltest du die Ehre besser erst mal vergessen.
    Und was steckte nun eigentlich da, in dieser geheimnisumwitterten Tasche?
    Als Allererstes: der Geleitbrief des Fürsten Tulupow, die Eintrittskarte zu Ruhm und Reichtum, nach deren Erreichen er auch an die Ehre würde denken können.
    Dann ein aus dem Heiligen Land stammendes Zypressenkreuz, das ein Vorfahr beim Würfelspiel gegen einen Kapuziner aus Angers gewonnen hatte.
    Ein goldenes Medaillon mit den Initialen »C.v.D.«, das seine Mutter ihm heimlich geschenkt hatte, als er Theofels für immer verließ. Früher hatte noch ein Stückchen Holz vom Wahren Kreuz des Herrn darin gelegen, doch im vorigen Jahr war es bei der Schlacht um Charleroi herausgefallen und verloren gegangen.
    Der teuerste und seltenste Gegenstand aber war ein wunderbarer Wecker, der Cornelius bei der Aufteilung des väterlichen Vermögens zugefallen war. Die Teilung war gerecht gewesen und hatte dem Testament entsprochen. Klaus hatte das Schloss, das Land und die Schulden geerbt, Martha und Grethe je ein Federbett, zwei Kopfkissen und zwei Kleider, Ferdinand das gute Pferd mit Sattel, Andreas nichts, weil irdisches Gut für einen Gottesdiener eitler Tand ist, und der Jüngste, Cornelius, hatte den Wecker bekommen; ein« Kriegstrophäe des verstorbenen Vaters, der Soldat bei Wallenstein gewesen war. Der Wecker war aus Bronze, mit einer Kristallglasabdeckung und vergoldeten Ziffern; ob er noch funktionierte oder längst kaputt war, wusste Cornelius nicht, weil er den Wertgegenstand wie seinen Augapfel hütete und den Mechanismus nicht in Gang setzte. Nie, auch nicht in der schwersten Zeit, hatte er das väterliche Erbe verpfändet oder beim Spiel eingesetzt. Der Wecker hatte einen besonderen Sinn. Ein solcher Luxusgegenstand nahm sich nur in einer reichen Umgebung gut aus, neben Bronzeskulpturen, Marmor und Samtvorhängen, und entsprechend hatte sich Cornelius für seine Karriere vorgenommen, eine passende Wohnstatt für den Wecker zu finden und sich damit zufrieden zu geben. Bisher lag das Ziel noch in weiter Ferne.
    Aber ebenda, in dieser Ledertasche, lag ein kleines Päckchen, dank dessen die Wanderungen des Weckers womöglich in nicht allzu ferner Zukunft ein glückliches Ende finden könnten. Eine Locke kupferrotes Haar, die in Pergament eingewickelt war, versprach Cornelius einen Gewinn, wie man ihn mit keinem Sold anhäufen und auch von den Türken kaum mit dem Degen würde erbeuten können. Bevor er in das Boot nach Riga stieg, hatte der Hauptmann der Musketiere ein Gespräch mit dem Händler Jan van Haeren, der die europäischen Hauptstädte mit dem wunderbaren roten Haar holländischer Frauen für die Fertigung der gerade in Mode gekommenen »Laura«-Perücken belieferte. Van Haeren sagte, die rothaarigen Hollän4erinnen seien gierig und schwierig, sie nutzten die Situation aus, dass es nur so wenige Rothaarige gibt, und forderten für ihre paar Haare einen völlig überzogenen Preis. In Moskowien dagegen gäbe es unzählige Frauen und Mädchen mit Haaren dieser unvergleichlichen Schattierung, jede Zweite habe diese Farbe und würde den Preis deshalb auch nicht in die Höhe treiben. Der Plan war einfach und sicher: vom Hauptmannssold die billigen Zöpfe der Moskauerinnen kaufen und sie mit Kaufmannskarawanen zu van Haeren nach Amsterdam schicken, wo dieser das dem Hauptmann zustehende Entgeld bei der Bank deponieren würde. Die Locke diente als Muster, damit die Farbe stimmte, und auf dem Pergament hatte der Händler eigenhändig den vereinbarten Preis notiert: 1500 Gulden für eine Fuhre. Was da in vier Jahren an Geld Zusammenkommen würde! Da brauchte man gar nicht gegen die Türken in den Krieg zu ziehen.
    ***
    Es war klares, leichtes Maiwetter, die Vögel zwitscherten ganz genau so wie

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