Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
ein ganz klein wenig weicher geworden, als ich das sagte, aber vielleicht wünschte ich mir das ja auch nur so sehr.
»Du große Güte, wer spricht denn davon, dass ihr gehen müsst?«, sagte Augusta, die plötzlich in der Tür stand. Keine von uns beiden hatte sie kommen sehen. »Niemand möchte, dass du gehst, Lily, bevor du nicht mit dir im Reinen bist und selber gehen willst.«
Ich stand neben Augustas Schreibtisch und fummelte an einem Stapel Papier herum. June räusperte sich. »Na, ich muss dann mal zurück, üben«, sagte sie und rauschte aus der Tür.
Augusta kam herüber und setzte sich in ihren Bürostuhl. »Lily, du kannst dich mir anvertrauen. Das weißt du doch, oder?«
Als ich nicht antwortete, nahm sie meine Hand und zog mich zu sich runter auf ihren Schoß. Ihr Schoß war nicht wie die dicke und weiche Matratze von Rosaleen, sondern dünn und kantig.
Ich wünschte mir nichts mehr, als offen mit ihr zu sprechen. Endlich die Tasche unter meinem Bett hervorzuziehen und die Sachen von meiner Mutter herauszuholen. Ich wollte so gerne das Bild der schwarzen Maria vorzaubern und sagen: Das hier hat meiner Mutter gehört, und das ist genau das Bild, das du auf deine Honiggläser klebst. Und hinten drauf steht Tiburon, South Carolina, also muss sie ja wohl hier gewesen sein. Ich wollte das Foto hoch halten und sagen: Hast du sie jemals hier gesehen? Lass dir Zeit. Denk gut nach.
Aber ich hatte noch nicht meine Hand auf das Herz der schwarzen Maria gelegt, und deshalb hatte ich zu viel Angst, ihr all das zu sagen. Ich lehnte mich an Augustas Brust und schob meinen innigsten Wunsch beiseite. Die Angst war zu groß, sie würde sagen: Nein, diese Frau habe ich noch nie im Leben gesehen. Und das wäre es dann. Dann wusste ich lieber gar nicht Bescheid.
Ich stand wieder auf. »Ich glaub, ich geh mal in die Küche und helfe da.« Ich ging durch den Garten, ohne mich auch nur ein einziges Mal umzusehen.
Nachts, als über allem eine Dunkelheit lag, erfüllt vom Zirpen der Grillen vor dem Fenster und dem Schnarchen von Rosaleen direkt neben mir, musste ich schlimm weinen. Ich weiß gar nicht, warum eigentlich. Wohl wegen allem. Weil ich es hasste, Augusta zu belügen, wo sie so gut zu mir war. Weil Rosaleen Recht hatte mit der Traumwelt. Und weil ich ziemlich sicher war, dass die Jungfrau Maria nicht auf der Pfirsichfarm erschienen war, um meinen Platz einzunehmen, so wie sie es für Beatrix getan hatte.
Neil kam fast jeden Abend herüber und saß mit June im Salon, während wir anderen in dem kuscheligen Fernsehzimmer »Auf der Flucht« guckten. Augusta sagte, sie wünschte sich, der Kerl würde endlich voran machen, den einarmigen Mann finden und die Sache zum Abschluss bringen.
Während der Werbepausen tat ich immer so, als wollte ich ein Glas Wasser trinken, aber stattdessen schlich ich rüber zum Salon und versuchte zu hören, was June und Neil sprachen.
»Ich will, dass du mir endlich sagst, warum nicht«, hörte ich Neil eines Abends sagen.
Darauf June: »Weil ich nicht kann.«
»Das ist kein Grund.«
»Das ist aber der einzige, den ich dir geben kann.«
»Ewig werde ich nicht warten«, sagte Neil.
Ich war gespannt, was June darauf sagen würde, als Neil ohne jegliche Vorwarnung aus der Tür kam und mich dabei erwischte, wie ich an der Wand stand und ihre intimsten Gespräche belauschte. Einen Augenblick sah er drein, als würde er mich bei June verpetzen, aber dann ging er einfach und knallte die Tür hinter sich zu.
Ich machte, dass ich zurück ins Fernsehzimmer kam, aber ich hörte gerade noch, wie June anfing, heftig zu schluchzen. Eines Morgens schickte Augusta Zach und mich sechs Meilen raus aufs Land, um die letzten Zargen für die Honigernte zu holen. Es war unerträglich heiß, und jeder Millimeter Luft war voller Mücken.
Zach fuhr den Honigwagen, so schnell es ging, und das waren ungefähr dreißig Meilen. Der Wind wirbelte durch mein Haar und blies den Geruch von frisch gemähtem Gras ins Innere des Lasters.
Die Straßenränder waren mit frisch gepflückter Baumwolle bedeckt, die von den Lastern geweht war, die auf dem Weg zur Entkernungsmaschine nach Tiburon waren. Zach sagte, die Farmer hätten ihre Baumwolle dieses Jahr wegen der Rüsselkäfer sehr früh gepflanzt und auch geerntet. Wie sie so am Straßenrand dalag - das sah genauso aus wie Schnee, und ich wünschte mir sehnlichst, es würde einen Schneesturm geben, der Kühlung bringen würde.
Ich versank in einen
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