Die Bismarcks
sächsische Hochleistungslandwirtschaft. Aber es galt auch, die alltäglichen Mühen des Lehrlingsdaseins zu bestehen. Klaus musste wie die Landarbeiter Rüben ziehen und dreimal am Tag 13 Kühe melken. Wenn er todmüde von der Feldarbeit und den Aufgaben in den Ställen nach Hause zurückkehrte, war der Arbeitstag aber noch nicht beendet. Er musste sich umziehen und mit Schlips und Kragen beim Chef erscheinen. Dieser ließ sich nun von ihm bedienen und den Wein nachschenken. Wenn ihm die Hände nach der langen Tagesarbeit zitterten, die Finger nach dem Melken klamm waren, erinnerte sich Klaus an das Lebensprinzip seiner Großeltern: labor omnia vincit – Arbeit besiegt alles.
Die weiblichen Angestellten unterzogen ihn einem Test: Eines Abends entdeckte Klaus nach der Rückkehr vom Essen ein Küchenmädchen unter der Bettdecke. Klaus war müde, unerfahren und das Mädchen nicht allzu hübsch. Er schickte es weg. Fortan galt er als arrogant und bekam deutlich schlechteres Essen. Aber die Arbeit befriedigte ihn. Mit ästhetischer Freude zog Klaus seine Spuren auf dem Trecker, das Ackergerät hinter sich her ziehend, nahe an Natur und Schöpfung.
Das zweite Lehrjahr verbrachte Klaus in Pätzig, dem Betrieb seines späteren Schwiegervaters Hans von Wedemeyer. Der Inhaber war kein Managertyp wie Tangermann und interessierte sich im Grunde genommen nur für seine Wälder. Klaus lernte wenig, aber Wedemeyer war wie sein Vater ein äußerst interessanter Mann, der Typ des gebildeten Aristokraten. Der Administrator des Gutes, gleichfalls nicht besonders dynamisch, übernahm den Betrieb, als Wedemeyer 1932 nach Berlin zog. Er versuchte dort, seinem Kriegskameraden Franz von Papen ein Bündnis mit Hitler auszureden. Am Ende zerbrach die Freundschaft der beiden Kriegskameraden. Klaus reiste einmal im Monat an, um Wedemeyer Bericht über den Fortgang bestimmter Projekte zu erstatten.
Klaus’ Mutter informierte ihr Kinder schon während der Schuljahre über die wirtschaftliche Lage der Güter. Als erklärte Gegnerin des NS -Regimes nahm sie später steuerliche Nachteile in Kauf. Sie brachte eine menschliche Komponente in die Arbeit ein, die den Betrieb zusammenhielt. Die Partei konnte wenig dagegen ausrichten, auch wenn der dicke Gendarm die Predigten von Pfarrer Wurms mitschrieb. Wurms war wie Klaus’ Mutter Mitglied der Bekennenden Kirche. Einige Jahre später traf Klaus durch Vermittlung einer Verwandten Dietrich Bonhoeffer in seinem Predigerseminar in Finkenwalde. Eine Schwester seiner Frau verlobte sich später mit dem Theologen, dessen Schwager Hans von Dohnanyi war.
Zusammen mit einem Freund fuhr Klaus einmal zu einer Wahlkampfrede von Hitler in Stettin. Er fand den Mann widerlich, lächerlich, nicht der Rede wert. »Ich habe die Dämonie dieses Mannes unterschätzt«, hat Klaus später bekannt.
Im Frühjahr 1933, wenige Wochen nach der Machtergreifung Hitlers, bestand Klaus seine landwirtschaftliche Gesellenprüfung vor der Pommerschen Landwirtschaftskammer in Heinrichshof bei Stettin. Danach nahm er die Position eines sogenannten zweiten Beamten auf dem Gut eines Herrn von Blanckenburg ein, 20 Kilometer nordöstlich von Kniephof. Ein Moritz von Blanckenburg war einer der besten Freunde des Reichsgründers in seinen Jugendjahren gewesen. Klaus hatte in seiner neuen Funktion Kontroll- und Aufsichtsaufgaben auf Feld und Hof. Aber zu seiner Überraschung war der Erste Beamte mit ihm nicht ganz zufrieden. Auch Klaus spürte seine Defizite. Er entschloss sich zu einem Laufbahnwechsel, auch weil er das Gefühl hatte, dass seine Mutter mit der Bewirtschaftung des Besitzes allein zurechtkam. So entschied er sich, als Freiwilliger zum 1. April 1934 zur Wehrmacht zu gehen. Das Dritte Reich rüstete auf, die Einführung der Wehrpflicht stand kurz bevor. Auch einer der Testamentsvollstrecker, dessen Urteil Klaus vertraute, riet ihm zur »Fahnenflucht zur Truppe«. 7
Ein weiterer Umstand kam hinzu: Klaus war im Stahlhelm engagiert, der zu dieser Zeit von NSDAP und SA gleichgeschaltet wurde. Wie viele junge pommersche Adelige hatte Klaus in der Wehrsportorganisation der DNVP während der späten Jahre der Weimarer Republik und auch im Grenzschutz Ost Aufgaben übernommen. Ein Herr von Briesen, der für den gesamten Grenzschutz im Pommern zuständig war, hatte ihn dorthingelockt. Klaus verehrte den Kavalier der alten Schule. Die vormilitärische Ausbildung fand auf den Gütern statt und war für einen sportlich
Weitere Kostenlose Bücher