Die Blendende Klinge
Wille war eisenstark. Er legte sein ganzes Verlangen, Ferkudi mit Luxin zu fesseln, in dieses Wandeln.
Ferkudi war offensichtlich nicht darauf vorbereitet gewesen, dass Kip Rot wandelte, aber auch Kip war nicht darauf vorbereitet. Die Farbe fachte die Flammen seines Zorns zu heftig an. Er war eigentlich nicht wütend auf Ferkudi, aber Rot machte alle Vernunft vergessen.
Kip sprang auf sein Gegenüber zu, und ehe er überhaupt wusste, was er tat, hatte er dem überraschten Jungen die Faust ins Gesicht gerammt.
Die mitternächtlichen Trainingseinheiten schienen etwas bewirkt zu haben, denn der Schlag landete genau dort, wo er es gewollt hatte – er schlug niedrig, visierte direkt Ferkudis Kinn an, und genau wie Hauptmann Eisenfaust es vorhergesagt hatte, zog der Junge instinktiv das Kinn an, und Kips Faust zermalmte ihm die Nase. Ferkudi, dessen Füße im roten Luxin feststeckten, kippte um und fiel geradewegs auf den Rücken.
Kip versprühte rotes Luxin rings um den Jungen, so dass er am Boden festklebte. Er hob einen Fuß, um ihm auf den Kopf zu treten – und konnte sich kaum stoppen, als die Pfeife ertönte.
Erschrocken über das, was er beinahe getan hätte, schleuderte Kip das rote Luxin fort. Beim Barte Orholams, für einen Moment hatte er versucht, den Jungen umzubringen.
Das rote Luxin verschwand, und Ferkudi setzte sich auf. »Oh«, sagte er. »Iff glaube, du hassmir die Nase gebrochen.« Er drückte sie vorsichtig, stoppte den Blutfluss. »Iff wusse niff mal, dassu Rot wandeln kanns. Hübsch!« Er packte seinen Nasenrücken, holte schnell Luft und schob ihn an seinen Platz zurück. Stöhnend schlug er zweimal auf den Boden. »Aua …« Während er sich die Tränen aus den Augen zwinkerte, streckte er die Hände aus, und ein paar Freunde halfen ihm auf. »Fein gemafft, Kip«, sagte er.
Einfach so? Ohne Wut?
»Äh … tut mir leid«, sagte Kip. »Das mit deiner Nase. Das Rot hat mich irgendwie rasend gemacht.«
»Oh, mafft niffts. Is niff das erse Mal.«
»Und wahrscheinlich auch nicht das letzte, du hässlicher Trottel«, sagte Kruxer, der zu ihnen herantrat. »Setz dich, Kip. Ich glaube nicht, dass du heute noch einmal kämpfen musst.«
»Wirklich?«, fragte Kip. Er war erschöpft. Die langen Trainingseinheiten, die späten Abende, dann kein Schlaf, und wenn er schlief, nur Alpträume. Er kroch auf dem Zahnfleisch, hing an einem dünnen Faden, der stets zu zerreißen drohte. Er ließ sich in einen Feldstuhl fallen.
Krach! Die hinteren Stuhlbeine gaben nach, und Panik schnitt durch Kips Brust, als er das Gleichgewicht verlor und platt auf dem Rücken landete.
Fettwanst.
Die Frischlinge lachten. Alle lachten. Kip merkte, wie sein Gesicht so rot wurde wie Brandgelee. Selbst Kruxer lachte.
Kip sprang wieder auf die Füße, war aber nicht in der Lage, irgendeine weitere Bewegung zu machen. Verdammt. Gerade jetzt, da ich ein wenig Fuß fasse. Endlich einmal anfange, irgendwo dazuzugehören . Lähmender Selbsthass durchströmte ihn, ließ ihn erstarren. Was sollte er tun?
Er verachtete sie. Er wollte sowieso kein Teil hiervon werden. Sie konnten sich alle zur Hölle scheren.
Kruxer hob die Hände. »Damit ist alles klar! Kip, ich wusste schon immer, dass du bei uns einen neuen Namen brauchst. Kip ist kein Schwarzgardistenname, und wir haben gesehen, dass gerade du unbedingt einen brauchst.«
Machte sich Kruxer über ihn lustig? Was meinte er mit »gerade du brauchst einen«?
»Ich verstehe nicht«, sagte Kip ruhig, darauf bedacht, nicht in eine Falle zu treten.
Ausbilder Fisk schien nachzudenken. »Ich bin mir sicher, dass du da nicht der Einzige bist. Wie viele von euch sind in Paria aufgewachsen?« Weniger als die Hälfte hoben die Hand. »Gut, dann ist es Zeit für eine Geschichtsstunde. Nicht jeder ist ein Schwarzgardist in der dritten Generation, Kruxer.«
»Ja, Herr.«
Ausbilder Fisk blickte zu Boden, als wüsste er nicht genau, wo er anfangen sollte. »Als Lucidonius kam, wurde er von dreißig mächtigen Männern beschützt, von denen er einige erst hatte besiegen müssen. Viele dieser Männer waren Helden und Priester der alten Götter gewesen und trugen Namen, die sich von diesen alten Göttern ableiteten – wie El-Anat und Dagnar Zelan und Or-mar-zel-atir. Sie konnten ihre alten Namen nicht behalten, also nahmen sie neue an. Einige von ihnen blieben allerdings namenlos, bis sie das Gefühl hatten, sich im Dienste Orholams einen neuen Namen verdient zu haben. El-Anat wurde eine
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