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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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was in ihm vorging. Überhaupt, wenn sie richtig darüber nachdachte, konnte sie sich nicht erklären, warum er überhaupt hier unten war. Sie könnte ihn fragen, das wäre das Einfachste. Aber sein Blick, seine Körperhaltung   … etwas Bedrohliches ging von ihm aus. Plötzlich kamen ihr auch die letzten Tage in den Sinn, diese komischen Spuren, die auf einmal aufgetaucht waren, diese Flusen am Sattel. Seit Dr.   Erb im Fall mitmischte, waren die Beweise immer eindeutiger geworden. Fast so, als hätten sich die Indizien der Polizei genähert, normalerweise war es aber umgekehrt. Dieser Erb war ein undurchsichtiger Mensch, und Kerstin musste Wencke Tydmers ausnahmsweise zustimmen: Man sollte ihm besser nicht trauen.
    Trotzdem – oder gerade deshalb – zauberte sie jetzt ihr wundervollstes Lächeln aufs Gesicht. «Dr.   Erb, ich muss dringend los. Falls wir uns nicht mehr sehen   …»
    «Ja?»
    «Ich danke Ihnen für Ihre Mitarbeit. Sie waren uns eine große Hilfe.»
    «Und mir war es ein besonderes Vergnügen!» Er schien erleichtert zu sein. Gott sei Dank hatte er nichts bemerkt. Kerstin rief noch ein «Tschüs» in den Raum des Praktikanten und lief davon. In ihrem Kopf arbeitete es wie wild. Was, wenn dahinter mehr steckte? Wenn Erb und dieser Praktikant, der vor zwei Tagen wie aus dem Nichts aufgetaucht war, aus irgendeinem Grund gemeinsames Spiel machten? Aber warum? Um was ging es denn hier? Na ja, um Erbs guten Ruf als Gutachter vielleicht. Aber wie sollte es ihm gelingen, einen waschechten Polizisten, auch wenn er noch so jung war, in die Sache einzubeziehen? Er hatte dem Praktikanten eine Karriere in Aussicht gestellt als Belohnungfür seinen Job. Von
Entscheidungsträgern
war die Rede gewesen   … Meinte er damit etwa das Innenministerium? Wie kam er dazu?
    Kerstin blieb jetzt keine Zeit zum Grübeln, der Bulli wartete im Hof, und Riemer, der schon auf der Rückbank saß, deutete ihr, sich zu beeilen. Sie nahm links außen neben ihm Platz und schnallte sich an. Lange würden sie nicht fahren, das Untersuchungsgefängnis, in dem der mutmaßliche Täter seinen Rausch ausgeschlafen hatte, lag ganz in der Nähe. Wesselmann würde mit ihnen gemeinsam zurück Richtung Polizeigebäude fahren. Hinter ihnen wäre dann ein Hochsicherheitsfahrzeug mit allem Drum und Dran, das hoffentlich die gesamte Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Auch wenn darin nur zwei Beamte mit schusssicheren Westen saßen, die aufgebrachte Meute auf der Straße würde einen Schatten im Gefangenentransporter ablichten und beschimpfen, während Rüdiger Wesselmann hier bei ihnen im Bulli saß – zu seiner eigenen Sicherheit, so hatte sich der oberste Chef das ausgedacht.
    Gerade bogen sie beim Hotel ab und nahmen den Schleichweg zum Schlossplatz.
    Kerstin hatte heute bereits viel von diesem Wesselmann zu sehen bekommen. Wer eine Wohnung gründlich durchsuchte, der durchsuchte auch die Seele ihres Bewohners. Schön war es nicht, was sie gesehen hatten. Keiner freute sich auf den neuen Mitfahrer.
    Beim Blick durch die Rückscheibe konnte Kerstin den Lockvogelwagen sehen. Mit vergitterten Fenstern und Panzerglas machte er richtig was her. Ihr Fahrzeug hingegen war ein stinknormaler V W-Transporter , wie ihn auch Großfamilien oder Partyservices benutzen. Die Aufmerksamkeit würde auf den imposanten Pseudo-Gefangenentransporter hinter ihnen gelenkt, und wenn jemand den Schwindelbemerkte, wären sie schon längst im abgesperrten Innenbereich. Drei Beamte stiegen jetzt in das gepanzerte Fahrzeug ein. Wie Schießbudenfiguren, dachte Kerstin.
    Dann wurde Wesselmann aus dem Gebäude geführt.
    «Nehmt ihn vorn in die Mitte», befahl Riemer, und seine Stimme klang gereizt. «Kerstin, du bleibst bei mir.» Sie war die einzige Frau im Wagen. Natürlich gab man ihr den Platz, der am weitesten entfernt war von Wesselmann, damit nichts passierte. Die Gleichberechtigung in ihrer Abteilung trieb schon seit jeher seltsame Blüten. Arbeiten konnte sie so viel und so hart wie alle anderen, aber wenn es spannend wurde, warfen sich die lieben Kollegen in ihre Ritterrüstung, um sie zu schützen.
    Als Kerstin den abgekämpften Kerl sah, der, geführt von zwei Justizbeamten, gerade auf ihren Wagen zusteuerte, war sie jedoch ganz froh um das Zuvorkommen ihrer Kollegen. Rüdiger Wesselmann gab ein jämmerliches Bild ab: das Sweatshirt fleckig, die Haare mit irgendeinem filzigen Zeug verklebt, die Haut nikotingelb. Neben oder direkt hinter ihm hätte sie

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