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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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vielleicht, hätte er endlich genug Mut, den Rest der Welt zu erobern. Und mit dem richtigen Leben zu beginnen.
    Das Motorrad würde vielleicht abgeschleppt werden, wenn er es einfach so über Nacht auf dem Supermarktparkplatz stehen ließ. Aber das war ihm in diesem Moment ziemlich egal.
    Er war aufgeregt. Er war noch nie auf einer Insel gewesen.

9.
    Wild Oat
(Waldtrespe)
    Botanischer Name: BROMUS RAMOSUS
    Blüte gegen die Unbestimmtheit der Ambitionen
     
    Die Radiomeldung hatte dem ganzen Kommissariat die Laune verdorben. Sie hatten sich um vier Uhr verabredet, um alles Relevante im Fall «Schwanenteich» zusammenzutragen und an die große Pinnwand am Kopfende des tristen Sitzungssaals zu heften. Es waren Digitalaufnahmen vom Tatort sowie Axel Sanders’ Protokoll, in dem von einem seltsamen Fettfilm auf der Haut der Toten und akkurat zusammengelegter Kleidung die Rede war.
    Aus dem rechtsmedizinischen Institut musste im Laufe des späten Nachmittags ein Fax mit ersten Angaben zur Todesursache kommen. Bislang tappte man hier nämlich noch ganz schön im Dunkeln. Direkte Gewaltanwendung schied aus, es gab keine Würgemale, keine Stichverletzungen, keine Hämatome. Aber auch keine Bläschen auf den Lippen, was auf einen Tod durch Ertrinken hätte schließen lassen. Allegra Sendhorst schien einfach nur ganz leise vom Leben verlassen worden zu sein.
    Gerade hatte Wencke von ihrem Besuch auf dem Bauernhof und ihrem scheußlichen Fund im Postkasten berichten wollen, da stürzte ein Kollege des 2.   Kommissariats herein, stellte das Radio in der Ecke an und sagte: «Das müsst ihr hören! Die Mutter ist an die Presse gegangen. Jetzt sind wir dran, Leute!» Er drehte den Lautstärkeregler auf.
    «…   sucht die Kripo Aurich bereits fieberhaft nach Hinweisen, die zum Mörder des dreizehnjährigen Mädchensführen könnten. Denn dass die Gymnasiastin, die von ihren Mitschülern als freundliches und lebensfrohes Kind beschrieben wird, Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist, scheint inzwischen außer Frage zu stehen   …»
    «Da wissen die aber schon wieder mehr als wir!», brummte Britzke dazwischen.
    «Psst!», machte der Rest der Mannschaft.
    «…   Schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhebt indes die Mutter des toten Mädchens. Angeblich war ihre Tochter schon am Vorabend als vermisst gemeldet worden, doch die Kripo Aurich hatte die Eltern auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet. Ob eine zeitige Suchaktion das Leben des Teenagers hätte retten können, ist bislang noch ungeklärt. Die Polizei Aurich nimmt zu den Vorwürfen derzeit keine Stellung   …»
    «Wie denn auch, wenn uns keiner darüber informiert und wir die Sache aus dem Radio erfahren müssen.» Wenckes Puls galoppierte.
    «…   Hannover   – Im sogenannten Webcam-Skandal hat sich der niedersächsische Ministerpräsident Ulferts zu den Bildern im Internet nicht weiter geäußert   …»
    «Schalt den Kasten aus», blaffte Wencke den Kollegen am Radio an, und im selben Moment bereute sie ihren Tonfall.
    «Ich hab mir so was schon gedacht», gab Britzke zu verstehen und zupfte an seinem Oberlippenbart. «Ich war mit Frau Sendhorst im Zimmer ihrer Tochter. Da hat sie sich schrecklich aufgeregt über uns. Wenn wir gestern gleich gehandelt hätten, meint sie, dann wäre nichts passiert.»
    «Vielleicht hat sie ja auch recht», gab Wencke zu bedenken, erntete dafür aber nur einhelliges Kopfschütteln.
    «Die Sendhorst ist sich auch absolut sicher, den Mörder bereits zu kennen. Dreimal dürft ihr raten, wen   …»
    Die Anwesenden rollten mit den Augen und stöhnten laut auf.
    «Ihr Wortlaut: Das kann ja jeder Kindergarten-Detektivclub besser als Sie.»
    «Ganz schön zynisch für eine Mutter, die erst wenige Stunden weiß, dass ihre Tochter nicht mehr lebt», fand Pal. «Finde ich irgendwie merkwürdig   …»
    «Was Allegras Mutter zu wenig hat, hat der Vater dafür anscheinend zu viel.» Wencke schilderte ihren Eindruck vom Vater und berichtete anschließend von ihrem Gespräch mit der Mitschülerin Pamela Rohloff.
    Britzke hatte im Mädchenzimmer ein fliederfarbenes Tagebuch gefunden, in dem das pubertierende Mädchen ihrem Groll gegen die permanente Kontrolle ihres Erzeugers Luft machte. Jetzt las er daraus einen Eintrag von letzter Woche vor:
    «Daddy glaubt, ich bin immer noch ein Kleinkind und falle bei der kleinsten Gefahr tot um. Er folgt mir wie ein Schatten, das macht mich krank. Kein Wunder, dass Mum ihn verlassen hat. Ich werde

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