Die Blume der Diener
Geoffrey die Kraft gefunden, sich auf königliche Weise zu betragen. Nach einem Jahr des Trauerns hatte Geoffrey nach einer zweiten Königin Ausschau gehalten und die hübsche, kluge und in der Magie erfahrene Constance von Capno auserwählt. Wahrlich, zuerst schenkte sie ihm nur Mädchen und tot geborene Jungen, doch sie erwies sich als gute Königin. Und schließlich hatte sie einen lebenden Sohn zur Welt gebracht: Prinz Lionel den Goldenen, der nun König war.
Wenn Königin Constance noch gelebt hätte, so sagten die Diener übereinstimmend, wäre nun alles anders. Sie hätte sich um die Erziehung ihres Sohnes gekümmert und keinen romantischen Unsinn geduldet, der eher umherziehenden Rittern als Kronprinzen zustand. Doch Königin Constance war gestorben, als Lionel zwölf war, und König Geoffrey hatte allen Launen seines einzigen Sohnes nachgegeben. Man flüsterte, dass König Geoffrey – möge er in Gottes Frieden ruhen – den Jungen verzärtelt und damit den späteren Mann eigensinnig gemacht hatte. Man bedenke nur, wie Lionel darauf bestanden hatte, Krieg gegen Brant zu führen, als ob dieses felsige und unfruchtbare Land solche Mühen wert wäre. Man betrachte nur das Grabmal, das er für seinen verrückten Freund errichtete. Das Geld dafür hätte er besser zum Erwerb von Brautgeschenken verwendet.
So redete man auf den Hintertreppen. An der Hohen Tafel war die Meinung dieselbe, aber die Worte waren vorsichtiger gewählt. Baron Carstey murmelte seinem alten Kumpan Sir Nicholas Webster zu, dass in den Schatztruhen Albias tatsächlich Ebbe herrschte; Sir Nicholas flüsterte zurück, dass Gallimand ein reiches Land sei. Der Lord-Oberrichter Giles Higham bemerkte, das Fürstentum Rin sei dieses Jahr mit der Abgabe seines Zehnten etwas im Rückstand. Der Graf von Brackton zuckte die Schultern und erwiderte, der König habe diesen Umstand im Rat erwähnt und von höheren Steuern gesprochen.
Sie alle warfen einen Seitenblick auf den Tisch, an dem ihr junger Monarch saß; er hatte das goldene Kinn auf die breite Faust gestützt und seine himmelblauen Augen waren von Wein und Schwermut verschattet.
Kapitel Zwei
Tief im Herzen einer Aprilnacht bereitete sich Margaret darauf vor, einen Dämon zu beschwören. Bei Sonnenuntergang hatte sie sich mit Kräuterwasser gewaschen, dann aus ihrem fuchsroten Haar alle Knoten gebürstet und ihren weißen Körper in einen schweren schwarzen Umhang gewandet, der mit kristallnen Sternen bestickt war. Nun zeichnete Margaret unter den Augen ihrer Füchsin geschickt ein Pentagramm auf den Boden und stellte an seine fünf Spitzen gedrungene schwarze Kerzen. Sie entzündete sie an dem Höllenfeuer, das unlöschbar in einer eisernen Kohlenpfanne loderte. Ein Funke dieses Höllenfeuers diente dazu, die Beschwörungsflamme in der Mitte des Pentagramms zu entfachen. Sie fügte ihren sulphurnen Gestank den Gerüchen von Myrrhe und noch ausgefalleneren Düften hinzu, die Margaret in die schwarz und lichtlos flackernden Lohen warf.
Als sie alles zufrieden stellend vorbereitet hatte, begann Margaret mit dem Gesang, der den von ihr erwählten Dämon aus der Hölle herbeirufen sollte. Es machte ihr keine Sorgen, dass sie die Töne des Rituals eher bellte als sang, denn die Kraft eines Rufspruches hängt nicht von dessen Schönheit ab. Magister Lentus hatte eine melodiöse Stimme gehabt, klar wie die eines Singvogels, und doch hatte er es nie gewagt, einen mächtigeren Geist als einen Unterteufel zu beschwören. Sein Gefühl für Tonhöhen war nie präzise gewesen, sodass die reichen Töne, die von seinen Lippen sprudelten, oft falsch gewesen waren und eine Achtelnote über oder unter der richtigen Note lagen. Margarets Stimme klang zwar vielleicht wie mahlende Steine, aber sie mahlte die zauberischen Gesänge richtig heraus.
In die lockende, wortlose Melodie wob Margaret die unzähligen verdrehten Silben des Dämonennamens – jede an ihrer richtigen Stelle, jede in der richtigen Tonlage. Viele Jahre lang hatte sie diese Anrufung Buchstabe für Buchstabe und Note für Note aus den kryptischen Bildern zusammengesetzt, die der Spiegel ihr von der Hölle zeigte. Es war eine seltene und gefährliche Kunst, Gesehenes in Klänge zu verwandeln und die Grammatik und Aussprache der Flammen herauszufinden, doch Margaret hatte ein Talent dafür und inzwischen flüsterten achtzig Kobolde, Elfen, Dämonen und kleinere Teufel in ihrem unteren Zimmer; sie waren die Sklaven von achtzig schwarzen Feuern
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